Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
opportunistisch?
Weder naiv noch opportunistisch. Für sie war das Entscheidende, ihre Kunst machen zu können.
Karajan, der sehr technikbegeistert war, soll Ihnen mal einen Walkman geschenkt haben.
Ja, es war der erste, den er selbst besaß. Er hatte ihn von einem gemeinsamen Freund bekommen, von Akio Morita. Das war der Inhaber von »Sony«, er hat »Sony« groß gemacht.
Haben Sie das Ding auch benutzt?
Ja, viele Male; im Auto und im Flugzeug.
Mochten Sie Karajans Dirigat, oder war es Ihnen manchmal zu effektheischerisch?
Ich habe nur wenige seiner Konzerte erlebt, sodassich das nicht recht beurteilen kann. Mir ist nur klar, dass alle großen Dirigenten auch Schauspieler und Selbstdarsteller sind. Da war Karajan keine Ausnahme, wenn ich an Celibidache oder Bernstein denke …
Wen mochten Sie als Dirigenten mehr?
Ich mochte sie alle drei.
24. April 2008
[ Inhalt ]
»Das Gehalt
bestimmen Sie selbst«
Ein Vierteljahrhundert
bei der ZEIT
Lieber Herr Schmidt, in Ihren Erinnerungen schreiben Sie: »Im Frühjahr 1983 ist mir ein großer Glücksfall widerfahren.« Sie meinten das Angebot des Verlegers Gerd Bucerius, Herausgeber der ZEIT zu werden?
Ja, das war eine Überraschung für mich.
Wie war die erste Begegnung?
Ich erinnere, dass sie in Bucerius’ Büro stattfand, wo heute mein Zimmer ist. Ich saß auf einem gelb bezogenen Sofa, er saß mir gegenüber. Und dann kam er mit dieser Idee. Ich habe spontan Ja gesagt.
Können Sie sich noch erinnern, was Gerd Bucerius sich von Ihnen versprochen hat?
Ich vermute, dass er gedacht haben könnte, der Schmidt ist wahrscheinlich ein auf Realismus bedachtes Gegengewicht zu den Idealisten in der Redaktion.
Hat er Ihnen ein attraktives finanzielles Angebot unterbreitet?
Nein. Er meinte: »Das Gehalt bestimmen Sie selbst.« Ich habe gesagt, ich wüsste nicht, was dieHerausgeberin Marion Dönhoff bekommt, aber er müsste mir dasselbe zahlen. Wenn man gleiche Gehälter bekommt, ist man auf gleicher Ebene, darauf habe ich Wert gelegt. Mit der ersten Gehaltsabrechnung habe ich gemerkt, dass Marion Dönhoff nicht übermäßig bezahlt wurde.
Und anders als die Gräfin haben Sie auch kein Haus in Blankenese von Bucerius und keinen Porsche von Augstein geschenkt bekommen.
Nein, ich brauchte weder Haus noch Auto; ich hatte beides. Und anders als meine verehrte Freundin Marion wäre ich nie Porsche gefahren.
Ist die ZEIT dem Wesen nach immer noch die Zeitung, bei der Sie vor einem Vierteljahrhundert anfingen?
Dem Wesen nach, ja. Sie ist nach wie vor eine liberale Qualitätszeitung, und das wird sie wohl auch bleiben.
Ja!
Aber sie ist natürlich, der allgemeinen Entwicklung folgend, heute stärker auf Unterhaltung orientiert, während sie früher mehr auf politische Unterrichtung ausgerichtet war. Das ist sie heute auch noch, aber das Entertainment spielt eine größere Rolle – muss es wahrscheinlich auch, denn die Leute wollen nicht immer bloß Politik lesen.
Anfangs nahmen Sie noch an der großen wöchentlichen Redaktionskonferenz teil, doch bald bliebenSie dieser Veranstaltung fern. Von Ihnen ist der Satz überliefert, Sie seien sich vorgekommen wie bei einer Fraktionssitzung.
Wenn ich das gesagt haben sollte, habe ich wohl damit gemeint, dass zu viele Leute gerne reden wollten. Ich bin der großen Konferenz nicht aus Protest ferngeblieben, sondern weil ich sie akustisch nicht mehr verstehen konnte.
Wie erklären Sie sich, dass heute, anders als in Ihren ersten Jahren, der Alkohol aus allen Konferenzen verbannt worden ist?
Kann ich nicht erklären, und ich halte es nicht für eine positive Veränderung.
Fast jeden Freitag kommen Sie aber in die Politikkonferenz um zwölf Uhr. Wie erleben Sie uns eigentlich?
Für mich ist das eine interessante Veranstaltung, weil sie mir die Gelegenheit gibt zu verstehen, was Leute innerlich beschäftigt, die 30, 40, teilweise noch mehr Jahre jünger sind als ich.
Sind die Kollegen genauso klug wie früher, oder sind sie etwas unbedarfter geworden?
Darüber müsste ich nachdenken. Wahrscheinlich würde ich zu dem Ergebnis kommen, dass der sich offenbarende Intelligenzquotient und die Temperamente sich nicht verändert haben.
Es fällt aber auf, dass es Kollegen gibt, deren Namen Sie sich auch nach zehn Jahren nicht merken können.
Das kann sein (Helmut Schmidt lacht) – schlechtes Namensgedächtnis eines alten Mannes.
30. April 2008
[ Inhalt ]
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Über Zeitungen und Journalisten
Lieber Herr
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