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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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allein bliebe.
    Ist es eigentlich für eine Gesellschaft nicht merkwürdig, dass schon ein Fünfundsiebzigjähriger wie Otto Schily der älteste Abgeordnete im Bundestag ist? Verglichen mit italienischen Präsidenten wäre er ein Jungspund.
    Das kommt mir nicht besonders merkwürdig vor.
    Wir haben also keinen Jugendwahn in der Politik?
    Nein, wir haben keinen Jugendwahn. Die Leute, die heute in Deutschland politisch herausragen, sind keine Jugendlichen.

    29. Mai 2008

[ Inhalt ]
    »Nach zwei Minuten habe
ich sie weggescheucht«
    Über die Arbeit von Fotografen
    Lieber Herr Schmidt, helfen Fotos noch, die Wirklichkeit zu begreifen?
    Das kommt darauf an. Jede Fotografie entsteht ja aus einer bestimmten Perspektive.
    Wo ist da für Sie die Gefahr der Manipulation?
    Sie liegt in der Auswahl und in der Gewichtung einer politischen oder ökonomischen Nachricht. Auch in der Bildunterschrift kann eine Gefahr liegen. Ich las kürzlich in einer Boulevardzeitung, dass meine Partei um die Nachfolge von Bundespräsident Köhler »schachert«. Tatsächlich gab es in der SPD einen Meinungsbildungsprozess, verschiedene Personen wurden als mögliche Nachfolger Köhlers genannt, was eigentlich etwas Normales ist. Der Ausdruck »schachern« sollte aber negativ wirken.
    Aber das ist kein Foto, das ist ein Wort!
    Ja, zufällig. Wenn sie die Personen abgebildet hätten, wäre da die gleiche Unterzeile gewesen. Ich gebrauche es als ein Beispiel dafür, dass man ein an und für sich neutrales Bild mit einer Unterschrift versehen kann, die eine tendenzielle Wirkung erzielen soll – und auch tut.
    Haben Sie versucht, Ihr öffentliches Bild im Fernsehen oder auch in Fotografien zu steuern?
    Nein, ich habe nur versucht, im Fernsehen einen anständigen Eindruck zu machen.
    Wie macht man das?
    Es sollte jedenfalls ein ernsthafter Eindruck sein. Als ich noch halb so alt war wie heute, war ich außerdem ein guter Polemiker; die Polemik gehört zur Demokratie dazu, das war schon im alten Athen so.
    Es gibt Fotografen, die sich noch gut daran erinnern, dass Sie auch einen guten Blick dafür hatten, welche Bilder für Sie vorteilhaft waren.
    Ich habe Fotos nie selbst ausgesucht. Es gab aber in meiner Umgebung sicherlich Leute, die meinten: Nein, dieses Bild nehmen wir nicht. Das mag so sein.
    Hatten Sie einen Lieblingsfotografen?
    Ja, Jupp Darchinger. Er ist ein angenehmer Mensch – sehr tüchtig und obendrein sympathisch.
    Vielleicht auch jemand, der einem die Angst vor dem Fotografiertwerden nimmt?
    Ich habe keine Angst, fotografiert zu werden.
    War es Ihnen denn angenehm, von einem Pulk von Fotografen abgelichtet zu werden?
    Nein, weil mich immer die Blitzlichter gestört haben. Deshalb habe ich die Leute nach zwei Minuten weggescheucht.
    Viele Politiker glauben inzwischen, dass sie ein Einblick in ihr Privatleben sympathischer erscheinen lässt. Ist das eine Milchmädchenrechnung?
    Ich weiß nicht, ob ein Milchmädchen rechnen kann, aber ich fand diesen Schlüssellochjournalismus immer zum Kotzen. Und ich habe immer versucht, die Leute davon abzuhalten, sich mit ihrem Fotoapparat oder ihrer Flüstertüte in mein Privatleben einzumischen.
    Hier habe ich noch ein anderes Foto, es zeigt Sie vor 25 Jahren im Bundestag, inmitten der Nachrüstungsdebatte: Sie basteln aus einem Blatt Papier ein Flugzeug, darauf steht, von Hand geschrieben: »Pershing II«. Was wollten Sie?
    Eine Spielerei. Auch ein erwachsener Mann darf spielen.
    Haben Sie es denn geworfen?
    Wahrscheinlich.
    Gibt es ein Foto, von dem Sie sagen würden, dass es in Ihrer Erinnerung unauslöschlich ist?
    Als Erstes fällt mir das Bild von dem tödlich getroffenen und zusammengesunkenen Kennedy ein, der im offenen Auto neben seiner Frau Jackie Kennedy sitzt, 1963. Ein anderes Bild, das sich mir eingeprägt hat, ist wohl gar nicht in den Zeitungen gewesen: Mao Tse-tung empfängt mich zum Gespräch, und das Bild zeigt eindeutig, dass er einen Schlaganfall erlitten hatte. Solche Fotos versucht man sonst eher zu verstecken.

    5. Juni 2008

[ Inhalt ]
    Ein Pilotenkoffer voll Papier
    Über Briefe und E-Mails
    Lieber Herr Schmidt, haben Sie einen Überblick, wie viele Briefe, Faxe und E-Mails Sie erhalten?
    Mehr, als ich selber beantworten kann. Infolgedessen werden in vielen Fällen die Antworten von meinen Mitarbeitern geschrieben, und wenn ich mit dem Text einverstanden bin, setze ich meinen Namen darunter.
    Wird jeder Brief beantwortet?
    Jeder Brief, der im Ton gehörig ist, kriegt eine

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