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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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umgekehrt.
    Wie erklären Sie sich das – nach allem, was sich Russen und Deutsche gegenseitig angetan haben?
    Beide haben schrecklich gelitten und wissen das auch. Das galt auch für einen Mann wie Breschnew.
    Man hat den Eindruck, dass viele Deutsche sich mehr vor den Amerikanern als vor den Russen fürchten.
    Das ist heute möglicherweise bei manchen der Fall.
    Ich höre bei Ihnen viel Verständnis dafür heraus.
    Das hängt mit dem Irakkrieg, mit Abu Ghraib und Guantánamo zusammen. Wenn die neue US-Regierung diese ekelhaften Dinge beendet, werden viele Deutsche ihre Einstellung ändern. Ich glaube an diedemokratische Vitalität der amerikanischen Nation, die von der Bush-Administration auf üble Weise missbraucht worden ist.

    1. Oktober 2008

[ Inhalt ]
    All die kleinen
Schweinchen …
    Telefonüberwachung
und Datenklau
    Lieber Herr Schmidt, immer wieder haben die Deutschen Angst vor totaler staatlicher Überwachung. Schon zu Ihrer Zeit als Politiker gab es die Debatte um die Rasterfahndung, später den Aufstand gegen die Volkszählung.
    Diese Angst ist uns zunächst zum Teil von der journalistischen Klasse, zum Teil von den Achtundsechzigern eingeflößt worden. Und inzwischen hat sie sich verfestigt.
    Die Medien und die Achtundsechziger sind natürlich an allem schuld!
    Die Abneigung gegen die wachsende Regulierungswut teile ich. Vor ein paar Tagen erhielten meine Frau und ich den Brief einer Bundesbehörde; darin stand, ich hätte in Zukunft eine Steuernummer, eine lange Zahl, und ich solle den Brief sorgfältig aufbewahren, die Nummer gelte für mein ganzes Leben. Ich habe mich gefragt, wo ich die denn aufbewahren soll. Gedacht habe ich: Rutsch mir doch den Buckel runter!
    ,
    Und nun ist der Brief weg?
    Nein, ich habe ihn meinem Steuerberater geschickt.
    Die größte Gefahr scheint im Moment von Leuten auszugehen, die Daten zum Beispiel über das Internet ausspionieren und sie verkaufen. Haben Sie die Aufregung über den sogenannten Datenklau mitbekommen?
    Auch hier ist es mehr die Publizistik, die sich darüber aufregt. Den normalen Bürgern ist das ziemlich egal. Lange vor dem Datenklau wusste man doch, dass fremde und deutsche Nachrichtendienste manchmal Telefongespräche abhören. Ich habe immer damit gerechnet, dass mein Telefon angezapft wird. Ich rechne auch heute damit.
    Das muss kein gutes Gefühl sein.
    Zum Kotzen. Es stört mich aber nicht sonderlich; denn wirklich wichtige Gespräche führe ich nicht per Telefon.
    Wer könnte sich heute noch etwas davon versprechen?
    Ich will Ihnen mal eine Geschichte erzählen, die zu Beginn der Sechzigerjahre spielt, zur Zeit der Spiegel-Affäre, die eigentlich eine Strauß-Affäre war. Ich erinnere mich an Gespräche mit Wolfgang Döring, das war einer von den damals sogenannten Jungtürken der FDP in Düsseldorf. Er war, genauso wie ich, empört über die Anmaßungen der Bundesanwaltschaft und des Verteidigungsministers Strauß. Und immer, wenn Döring mich anrief, begann er das Gespräch mit: »Helmut, lassenSie uns erst mal all die kleinen Schweinchen begrüßen, die hier mithören.« Da habe ich gelacht und ihm zugestimmt. Ich war damals Senator in Hamburg.
    Besitzen Sie überhaupt Kundenkarten, die in falsche Hände geraten könnten?
    Neulich hat mir jemand gesagt: Ihre Kreditkarte ist abgelaufen, Sie müssen mir die geben, ich habe Ihre neue Karte. Ich musste überlegen: Wo habe ich die alte Karte denn? Ich hatte die seit Jahren nicht gebraucht.
    Sie zahlen in der Regel bar?
    Nur bei kleinen Beträgen. Ansonsten lasse ich mir Rechnungen schicken. Das ist die einzige Methode, den Überblick zu behalten.
    Nun sind die deutschen Geheimdienste ja dem Kanzleramt untergeordnet. Haben Sie in Ihrer Zeit manchmal Abhörprotokolle von bekannten Menschen zu lesen bekommen?
    Nein, niemals.
    Warum nicht? Weil ein Mitwisser sich nur die Finger verbrennen kann?
    Ich habe dergleichen instinktiv abgelehnt. Die Überwachung der deutschen Geheimdienste lag in den Händen des Kanzleramtschefs Manfred Schüler. Der hat das prima und lautlos gemacht.
    Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie lesen, dass Firmen wie Lidl oder die Telekom ihre eigenen Mitarbeiter bespitzelt haben?
    Abermals zum Kotzen! George Orwell hat all das schon vor Jahrzehnten vorhergesehen. Inzwischen breitet es sich aus. Das ist ein ekelhafter Nebeneffekt des elektronisch-technischen Fortschritts.

    9. Oktober 2008

[ Inhalt ]
    Der Takt des
Herzschrittmachers
    Über Ärzte und überflüssige

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