Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
Ratschläge
Lieber Herr Schmidt, man sagt Ihnen nach, dass Sie ein renitenter Patient seien. Einmal sollen Sie sogar aus der Klinik ausgebüxt sein.
Das ist nicht wahr.
Aber Sie haben im Krankenhausbett geraucht!
Das ist wahrscheinlich.
Wie haben Sie das denn durchbekommen?
Weiß ich nicht. Es ist lange her, dass ich in einer Klinik war. Dieses gesetzliche Rauchverbot gab es da jedenfalls noch nicht.
Doch, im Krankenzimmer immer! Stimmt es denn, dass Ärzte Ihnen allen Ernstes geraten haben, mit dem Rauchen nicht aufzuhören?
Das haben mir zwei Ärzte gesagt – allerdings relativ spät in meinem Leben, im Laufe der letzten zehn Jahre.
Es heißt, sie hätten Ihnen versichert, dass die gefährdeten Gefäße hinreichend »auszementiert« seien …
Nee, diese Geschichte habe ich spaßeshalber selbst erfunden. Wir haben uns gar nicht ernsthaft über dasAufhören unterhalten. Meine Ärzte wissen, dass ich mein ganzes Leben lang ein Zigarettenraucher war, und sie haben mir noch nie geraten aufzuhören.
Sie haben es nicht gewagt, würde ich mal sagen.
Sie waren vernünftig genug, einem alten Mann keine überflüssigen Ratschläge zu geben.
Gibt es einen Arzt, dem Sie besonders viel verdanken?
Es gab Wolfgang Völpel, Oberstarzt am Bundeswehr-Krankenhaus in Koblenz, und es gibt Professor Heiner Greten in Hamburg. Ich war oft ernsthaft krank, aber diese beiden Internisten haben mich über alle Hürden gebracht. Aber ich muss mich auch bei dem Herzchirurgen in Kiel bedanken, der mir vier Bypässe gelegt hat.
Sie haben zwei Herzinfarkte erlitten und inzwischen den fünften Herzschrittmacher. Den ersten bekamen Sie vor knapp 30 Jahren, noch während Ihrer Kanzlerschaft.
Das war ein Gerät mit einem gleichbleibenden Takt, den man mit Worten nicht beschreiben kann. Klang in etwa so: (Helmut Schmidt klopft auf den Schreibtisch)
Hört sich wie das Ticken einer Standuhr an.
Ja, und das 24 Stunden am Tag! Die heutigen Schrittmacher sind viel raffinierter; mein jetziger springt nur an, wenn er gebraucht wird. Inzwischen funktioniert mein natürlicher Schrittmacher wieder ganz ordentlich – man könnte den anderen eigentlich rausnehmen.
Können Sie sich erklären, was Sie so anfällig gemacht hat für Herzbeschwerden?
Ich bin wahrscheinlich nicht anfälliger als jeder andere, der schwer arbeitet.
Haben Sie sich jemals geschont, wenn Sie krank waren?
Nein.
Einmal haben Sie in Bonn auf Giscard d’Estaing gewartet, es war kalt, es schneite, und Sie standen eine Dreiviertelstunde auf der Landebahn. Danach haben Sie eine Lungenentzündung bekommen.
Das müssen Sie, glaube ich, unter der Rubrik »Journalistische Fantasie« verbuchen.
Ist doch keine unehrenhafte Geschichte!
Unehrenhaft nicht. Weder für mich noch für die Landebahn.
Als Kanzler haben Sie nie öffentlich über Ihre Krankheiten gesprochen. Muss man so etwas verschweigen?
Das muss man wohl nicht; ich habe aber wenig darüber geredet.
Weil es nicht zum Bild des tatkräftigen Regierungschefs passte?
Wegen des Bildes weniger. Es führt zu Spekulationen.
Ihre Frau hat mal gesagt: »Ich habe einfach keine Zeit für Zipperleins!«
Sie ist abgehärtet gegen Wehleidigkeit, ich auch.
Hat sie Sie gepflegt, wenn Sie erkältet waren?
Nein. Für mich hat immer gegolten: Mit Arzt dauert eine Erkältung sieben Tage, ohne Arzt eine Woche. Deshalb habe ich Erkältungen immer abgewettert. Mit Pillen und mit Kamillentee mit Honig. Und sonst nicht viel.
16. Oktober 2008
[ Inhalt ]
Und dann gibt es noch die Investmentbanker …
Über die Finanzkrise
Lieber Herr Schmidt, es gibt Themen, die selbst für unsere Zigarettengespräche zu groß sind, jetzt zum Beispiel die Finanzkrise …
Zunächst möchte ich festhalten, dass es viele Themen gibt, die sich für Zigarettengespräche nicht eignen.
Achtung, das war ironisch gemeint! Vielleicht können wir wenigstens darüber sprechen, ob wir Journalisten uns in diesen Wochen angemessen verhalten.
Es ist, jedenfalls für einen verantwortungsbewussten Zeitungsmacher, keineswegs sinnvoll, zur Verunsicherung beizutragen. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben die deutschen Medien sich ausreichend diszipliniert verhalten. Eine ganz andere Frage ist, was im nächsten und im übernächsten Jahr geschehen muss.
Was sollen wir denn schreiben, wenn wir angesichts der Krise auch nicht schlauer sind als die Spitzenpolitiker und Finanzexperten?
Es wäre ein Novum, dass Journalisten von sich selbst glauben, nicht schlauer zu sein
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