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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burk Michael
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gebeten, Ihnen zu sagen, daß Sie ihn verstehen mögen. Er hat es einfach nicht übers Herz gebracht, mit Ihnen persönlich darüber zu sprechen.«
    »Er hat es nicht übers Herz gebracht …?« wiederholte sie seine Worte verstört, und mit einemmal überkam sie Angst.
    »Er hat einfach nicht die Kraft dazu aufgebracht«, sagte er, und seine Augen schienen noch wäßriger zu sein also zuvor. Verlegen zuckte er die Schultern.
    Sie brauchte einen Augenblick lang, bis sie sich mit seiner Schilderung abgefunden hatte. Dann nahm sie ihre ganze Energie zusammen und sagte herausfordernd laut: »Sagen Sie mir endlich die Wahrheit.« Und als er zögerte, fügte sie aufbegehrend hinzu: »Die schonungslose, volle Wahrheit!«
    »Allright.« Er war sichtlich erleichtert, endlich beim Thema zu sein. Entschlossen stand er auf, versenkte die Hände in den Taschen des weißen Mantels, blickte zu Boden, wie um sich zu konzentrieren, und ging dann langsam auf und ab. »Nachdem sich Ihr Vater für Sie entschieden hatte und wieder ins Leben zurückkehrte, hatte er einen Schwur getan. Hier in diesem Raum hat er ihn vor mir bekräftigt. Nie mehr in seinem Leben wollte er es zulassen, daß ihm ein so lieber Mensch auf eine derart grausame Weise genommen würde, wie es beim Tod Ihrer Mutter geschehen war.«
    Er blieb vor ihr stehen und sah mit unbewegtem Gesicht zu ihr hinab. »Gewiß, es war ein naiver Schwur. Aber Ihr Vater nahm ihn ernst.«
    Als sie nichts entgegnete, setzte er seine ruhelose Wanderung durch das Zimmer fort. »Erinnern Sie sich an den diesjährigen Check-up?«
    »Es war vor fünf Wochen«, bestätigte sie.
    »Drei Tage später saß Ihr Vater hier in diesem Zimmer. Er befand sich in einem Zustand, der das Schlimmste erwarten ließ. Aber als wir auseinandergingen, hatte er wieder Hoffnung geschöpft. Er hatte sich feierlich geschworen, Sie zu retten, Jennifer – egal, mit welchem Einsatz.«
    »Mich zu retten?« Sie starrte ihn an, und es verstrichen quälende Sekunden, bis sie begriffen hatte. Dann wurde ihr schwindlig.
    Ihre Schläfen pochten. Aus ihrem Gesicht war alles Blut gewichen. Die schmalen Wangen waren eingesunken. Die Hände zuckten unmerklich.
    »Ihr Vater wollte Ihre Rettung selber in die Wege leiten«, sagte Coblence mit unsicherer Stimme, »er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Und dann war er auf einmal verschwunden. Da habe ich versucht, mit Ihnen direkt Verbindung aufzunehmen, doch ich habe Sie nie erreicht. Jetzt haben wir wertvolle Zeit verloren.«
    Es glich einer Verteidigungsrede. Jennifer aber bekam davon nichts mit. Ihr Gehirn schmerzte.
    Er wollte sie trösten: »Haben Sie keine Angst, Jennifer, Sie kommen in die besten Hände. Ich bin davon überzeugt, daß Sie durchkommen. Sie sind noch jung und widerstandsfähig. Sie werden es schaffen. Leukämie ist inzwischen weitgehend heilbar. Vor allem bei jungen Menschen. Ich glaube an Sie, Jennifer.« Er merkte nicht, daß seine Worte sie nicht erreichten; Schweiß stand ihm im Gesicht.
    Er nahm sich vom Tisch ein Papiertaschentuch und wischte sich über die Stirn. Als er erkannte, daß Jennifer nicht reagierte, senkte er hilflos den Kopf.
    Stille lag über dem Raum. Von weit her hörte man ein Geräusch, als würde ein eiserner Karren über den Hof gefahren, der sechs Stockwerke tiefer lag.
    Jennifer kam wieder zu sich. Ihr Blick lag unbeweglich auf Coblence. »Haben Sie gesagt, er wollte mich retten?« Sie sprach kaum hörbar, als fürchte sie sich vor der Antwort.
    »Ja, Jennifer«, bestätigte er ihr gedämpft.
    Sie sah ihn stumm an und schien seine Worte noch immer nicht voll zu erfassen. Doch dann sagte sie mehr zu sich selbst: »Er muß um mich schrecklich gelitten haben.«
    »Ja, Jennifer, das hat er«, antwortete Coblence leise.
    »Und Louis hat alles gewußt«, sagte sie starr und setzte hinzu: »Ich will es einfach nicht glauben.«
    Coblence legte ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter und dämpfte die Stimme: »Es war auch für mich nicht leicht, dieses Gespräch zu führen.«
    »Also hat mein Vater das Superfexon nicht für sich …?« Sie konnte die Nachricht nur ganz allmählich aufnehmen.
    Coblence wußte nicht, worauf sie anspielte, sagte: »Er hat sein Leben für sie gegeben, Jennifer. So sehr hat er sie geliebt.«
    »Er hatte Angst um mich, unerträgliche Angst.« Das Denken bereitete ihr Mühe.
    Von neuem trat Stille ein. Jennifer schloß die Augen. Ihr fiel der Kopf auf die Schulter. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie war

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