Auf einmal ist Hoffnung
Termin mit Doktor Coblence hatte sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Die unzugängliche Art des Arztes, seine Geheimnistuerei und die bedingungslose Forderung, all das hatte sie wieder und wieder zu ergründen und einzuordnen versucht.
Doch so sehr sie sich auch gequält hatte, sie war zu keinem Ergebnis gekommen. Sie war sich am Ende nur über eines im klaren: Gleichgültig, was Coblence von ihr wollte, für sie waren die Nachforschungen über den Tod ihres Vaters abgeschlossen. Sie würde weder bereit sein, das verschwundene Superfexon aufzuspüren, noch sich für neue Eröffnungen in dieser Angelegenheit interessieren.
Sie war dem glücklichen Zufall dankbar, der ihr den Vertrag mit der Met eingebracht hatte, und war entschlossen, all ihre Kräfte nur noch auf dieses eine Ziel zu konzentrieren. Sie wollte im Tanz Vergessen und Zukunft zugleich finden.
Sie hatte schon die Hand am Fenster, um es wieder herunterzuschieben, als sie an der Ecke Thompson Street den Wagen entdeckte. Sie kannte zwar die Nummer nicht, aber es war ein dunkelblauer Lincoln. Unwillkürlich durchzuckte sie ein Stich.
»Ist etwas?« Patrick stand schon eine geraume Weile in der offenen Tür und hatte sie beobachtet. Er trug nur seinen Slip.
Sie drehte sich zu ihm um und fragte mitfühlend: »Habe ich dich aufgeweckt?«
»ich habe nicht viel mehr als du geschlafen«, antwortete er wie nebenbei, trat hinter sie und schaute über ihre Schulter hinunter auf die Straße. »Wir haben richtig vermutet«, sagte er nachdenklich, »der Kerl ist zäh.«
»Was verspricht er sich wohl davon?« Sie schloß das Fenster und ging voran zur Kochnische.
»Da ist alles möglich«, gab er zu bedenken, »auf jeden Fall geht es sicher noch um das Superfexon. Vielleicht wollen sie dir nur auf den Fersen bleiben, vielleicht aber auch …« Er zögerte.
»Kidnapping?« Sie sprach seinen Gedanken offen aus.
»Wenn sich jemand die ganze Nacht um die Ohren schlägt, um einen Fremden zu beschatten, ist er nicht ungefährlich«, stellte er für sich fest.
Sie setzte die Kaffeemaschine in Betrieb. »Ob es mit Coblence zusammenhängt?«
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. »In Eton lernt man schon als Junge, die Gefahr richtig einzuschätzen. Ich schlage vor, wir gehen auf Nummer Sicher.«
»Polizei?« Sie holte Tassen und Teller aus dem Bord.
»Die würde uns auslachen. Nein, wir helfen uns selbst.« In knappen Worten entwickelte er ihr einen Plan für den Fall, daß der Mann aus dem Lincoln zum direkten Angriff übergehen würde.
Sie war einverstanden und setzte wie abschließend hinzu: »Also treffen wir uns im Plaza?«
»Ja.« Er ging zurück in den Duschraum, zog den Slip aus, drehte das Wasser voll auf und ließ es auf seinen sehnigen, nackten Körper prasseln.
Währenddessen telefonierte Jennifer mit Carlo Pelosi.
19
Er konnte sich später selbst nicht mehr erklären, wie er wieder auf die Beine gekommen war.
Der Schmerz wütete in seiner Brust, es brannte wie Feuer. Das kalte Pflaster. Die Hände, die sich daran festzukrallen versuchten. Die Sinne, die nichts mehr wahrnahmen. Er fühlte sich wie ein gefällter Baum, der starb. Er war nur getrieben von einem einzigen Gedanken: Elena und ihre Eltern hatten keine Chance. Sie würden nach ihrer Ankunft wie verabredet die Nummer des ›George Washington‹ wählen. Menendez würde sie in eine Falle locken und töten.
Töten! schoß es ihm immer wieder durch den Kopf. Töten! Nein, das durfte nicht geschehen! Er mußte sie retten! Retten! Retten! Retten! Aber seine Augenlider waren schwer wie Blei, und er wußte nicht mehr, wo er sich befand, und er war nicht mehr fähig, auch nur den kleinsten Gedanken festzuhalten.
Ein Taxi bog in die Einundzwanzigste ein. Der Fahrer, ein grauhaariger, bulliger Schwarzer namens Arnos, war gerade im Begriff, seine Schicht zu beenden, als er das Bündel Mensch auf dem Gehsteig liegen sah. Er hielt an, stieg aus, beugte sich über Rocha, hielt ihn für tot.
Doch dann erkannte er, daß in Rocha noch Leben war, sah, wie er versuchte, ihn anzusprechen, ihm etwas mitzuteilen. Es dauerte eine schier endlose Weile, bis die gehauchten Wortfetzen für Arnos einen Sinn ergaben. Dann zerrte er Rocha in seinen Wagen und fuhr los.
Ein paar Stunden danach saßen Elena und ihre Eltern im Taxi neben dem schwerverletzten Rocha. Amos hatte nicht nur Erste Hilfe geleistet, sondern auch noch Elena und die Ihren am Gate in Empfang genommen.
Bei allem Schrecken über Rochas Zustand
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