Auf einmal ist Hoffnung
Anblick ihrer nackten, beinahe noch kindlichen Schönheit, wenn sie katzenhaft graziös durch die Wohnung ging und jeder Muskel ihres schlanken Körpers angespannt zu sein schien.
Heute waren ihre Handgriffe schleppend. »Wann kommst du wieder?« Sie sprach leise und starrte auf die Kochplatte.
Er trat hinter sie. »Schau mich an.« Es war eine Bitte.
Sie drehte sich ihm zu, und ihre Blicke gingen ernst ineinander über.
»Ich werde dich herausholen. Dich und deine Eitern.« Seine Worte kamen mit unterdrückter Unruhe.
Sie wußte mit seiner Erklärung nichts anzufangen, und ihre Augen fragten stumm. Eine Weile standen sie sich so gegenüber. Dann stieg eine Ahnung in ihr hoch.
»Du vermutest richtig«, sagte er, hielt sie an beiden Schultern von sich weg und sah sie eindringlich an, »du mußt dir gut merken, was ich dir erzähle. Aber trink zuerst einen Schluck Kaffee.« Er ließ sie frei.
Wie jeden Morgen trug sie das Tablett mit dem Kaffee zur kleinen, ebenerdigen Veranda, die auf ein Gestrüpp von Büschen und halbhohen Bäumen hinausführte. Roberto folgte ihr, und sie setzten sich in den abgenützten Korbstühlen einander gegenüber. Nachdem sie beide einen kräftigen Schluck getrunken hatten, sagte er: »Ich wollte nur, daß du ganz wach bist und später keinen Fehler machst.« Er trank noch einmal, behielt die Tasse in beiden Händen, beugte sich vor, stützte sich mit den Ellenbogen auf seine Knie und sprach zögernd: »Ich werde gegen vier schon in New York sein.«
Sie wußte davon und nickte. Ihre Augen bekamen einen feuchten Glanz. »Wann kommst du wieder?« wiederholte sie ihre Frage.
Er ging nicht darauf ein und sagte: »Du solltest in den nächsten Tagen am besten das Haus nicht verlassen. Pack das Notwendigste zusammen und sei bereit.«
»Ich versteh noch immer nicht.« Sie wirkte unsicher.
»Pack nur das ein, was du nicht ersetzen kannst. Und sag deinen Eltern das gleiche.«
»Soll das bedeuten, daß du nicht mehr …?« Ihr Gesicht bekam einen ängstlichen Ausdruck.
»Ja, das bedeutet es.«
»Aber wie willst du …? Du kannst doch nicht einfach …? Was ist, wenn es nicht gelingt?« Es brach unkontrolliert aus ihr heraus, und ihre Angst nahm zu.
»Du kannst beruhigt sein, Liebes, ich werde alles bis ins kleinste organisieren. Ihr werdet keine Schwierigkeiten haben, das verspreche ich dir. Ich beschaffe euch auch das Flugzeug. Ihr müßt nur bereit sein.« Er legte seine Hand beruhigend auf ihre.
Sie schluckte. »Ich habe trotzdem Angst, Berto, ich habe Angst um dich«, sagte sie mit gepreßter Stimme, und es schien, als wage sie kaum zu atmen.
»Da ist noch etwas wichtig. Beschwöre deinen Vater, daß er zu keinem Menschen von der Sache spricht. Daß er seine Zunge im Zaum halten muß. Daß er keine unbedachte Äußerung macht, aus Freude oder Großtun oder Bosheit. Schwörst du mir das?«
»Ich schwöre.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Wenn einer den Plan zunichte machen kann, dann ist es dein Vater. Francesco Muiz redet einfach zuviel und läßt sich immer wieder auf die dümmsten politischen Diskussionen ein«, sagte er beschwörend und nannte ihren Vater beim vollen Namen, als wollte er so seiner Äußerung Gewicht verleihen.
»Du kannst mir vertrauen, Berto. Vater wird sich diese Chance nicht selbst zerstören.« Sie wirkte überfordert.
»Er säuft.«
»Ich werde ihn ab jetzt kontrollieren. Er wird keinen Tropfen Alkohol mehr zu sich nehmen können.«
»Am besten ist, du läßt deine Eltern hier wohnen, dann hast du sie immer unter Aufsicht.«
»Vertrau mir, Berto«, sagte sie nachdrücklich.
Er nickte und war in Gedanken schon auf dem Weg zum Flughafen. »In vierzig Minuten muß ich am José Marti sein«, sprach er es laut aus.
Sie verabschiedeten sich voneinander, und er drückte Elena fest an sich. Sie küßte ihn leidenschaftlich und preßte sich an ihn, als wolle sie ihn nicht gehen lassen.
»Es wird Zeit«, sagte er und löste sich sanft aus ihrer Umarmung.
»Ich werde für dich beten.« In ihren Augen standen Tränen.
Er wandte sich dem Ausgang zu und ging die Stufen hinunter, ohne sich umzudrehen. Sie sah ihm nach, bis sein Wagen hinter den nächsten Häusern verschwunden war.
12
Das ›Summerhouse‹ war ein kleines Restaurant an der Ecke Madison Avenue und Neunzigste. Die gläserne Außenwand gab die Sicht frei auf hohe Pflanzen aller Art, das Innere, auf Weiß und Grün abgestellt, wirkte verspielt, die Tische standen bequem weit
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