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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burk Michael
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Hürden nehmen, und das dauert leider seine Zeit«, sagte Louis sachlich und fügte gleich warmherzig hinzu: »Du wohnst natürlich bei uns. Harriet wird sich freuen. Es ist sicher am besten, wenn du gleich vorausfährst.« Dann ordnete er in Gedanken schon die Schritte, die er unternehmen wollte, um dem Freund eine Hilfe zuteil werden zu lassen, wie es sie womöglich noch für niemanden gegeben hatte.

10
    Es war der Tag, an dem Louis ihrem Vater neue Hoffnung machte. Für sie war es der Tag nach ihrem Erfolg bei der Audition der Metropolitan Opera.
    Als sie zur morgendlichen Stellprobe erschien, um die Rolle der Chiarina zu übernehmen, ließ Chester Wilson sie zunächst in sein Büro rufen.
    Auf dem Tisch lag ein unterschriftsreifer Vertrag über zwei Jahre. Das hatte sie nicht erwartet. Sie glaubte zu träumen. »Sie können sich mit der Unterschrift Zeit lassen, Jenny«, hörte sie Wilson in seiner knappen Art wie aus weiter Ferne erklären, »Ihre Agentur wird sicher alles genau prüfen wollen.«
    Ihre Agentur? Unwillkürlich lächelte sie still in sich hinein. Wilson sah sie offenbar als perfekten Profi an. »Ich bin bei keiner Agentur«, antwortete sie zurückhaltend, »Igor berät mich.«
    Wilson stutzte. Er hatte es in seinem Beruf noch nicht erlebt, daß jemand ohne Agentur einen Vertrag abschloß. »Allright, überlegen Sie es gemeinsam mit Igor. In einer Woche?«
    »Spätestens.« Sie fühlte sich wie in einem Rausch.
    Wie benommen ging sie über den beigen Spannteppich des von Neonröhren beleuchteten Flurs, nahm den Lift hinunter zum Bühnentrakt, meldete sich beim Assistenten des Bühnenmeisters, der sie in die Garderobe wies und ihr, nachdem sie im Trikot war, den Weg zeigte, der zur Bühne führte, wo Jim, der Assistent Chester Wilsons, sie inmitten der Kollegen schon erwartete.
    Als sie dann auf der spärlich erhellten Bühne stand, wußte sie selbst nicht mehr, wie sie hierhergekommen war. Unwillkürlich beugte sie ihren Kopf nach hinten und sah hinauf in das Gewirr von eisernen Stangen, Seilzügen, Scheinwerfern und Brücken in dem schier endlos hohen Bühnenhaus. Es war ein erhabener Augenblick für sie, und sie spürte, wie ihr Herz vor freudiger Erregung schneller schlug.
    Die Stellprobe begann. »Du brauchst nur zu markieren«, rief Jim ihr mit seiner weichen Stimme von unten zu, nachdem sie die ersten Schritte vor Begeisterung voll ausgetanzt hatte.
    Aber der Überschwang ihrer Gefühle hielt an, und sie tanzte kraftvoller, als es für die Stellprobe notwendig gewesen wäre. Sie ging tatsächlich auf die Spitze, wo sie es nur hätte andeuten können, vollführte die Sprünge höher und weiter, als Jim es verlangte, setzte den Kreisel der Pirouetten schwungvoll an, obwohl eine sachte Drehung genügt hätte, straffte sogar die Hand bis zu den Fingerspitzen und war in Ausdruck und Haltung ganz die Chiarina.
    Ob es an dieser freiwilligen Anstrengung oder an irgendeiner anderen Ursache lag, wollte sie später nicht mehr überdenken. Da registrierte sie alles nur erschrocken.
    Schon als sie bei einer Lufttour den Kopf in den Nacken geworfen hatte, verspürte sie flüchtig einen stechenden Schmerz im Gehirn. Doch ihre Energie hatte ihn überdeckt. Das Ende der Probe aber erlebte sie wie in Trance, so sehr verausgabt glaubte sie sich zu haben.
    Erschöpft wankte sie in eine Gasse und ließ sich auf der nächstbesten Sitzgelegenheit nieder, einem Schemel. Dort saß sie in sich gekauert und rang eine Weile nach Atem. Als Jim sie ansprach, reagierte sie nur automatisch.
    »Es war alles okay«, sagte er wie nebenhin, »bis auf ein paar Kleinigkeiten«, und betont: »Wenn du aus der linken Gasse kommst, mußt du versuchen, die doppelte Kapriole mehr in der Mitte der Bühne zu plazieren. Klar?«
    Sie nickte, obwohl sie ihn nicht verstanden hatte.
    »Bei der ersten Umarmung verdeckst du dein Gesicht in seiner Schulter.«
    Sie nickte.
    »Und die Serie von Pirouetten solltest du platzmäßig besser aufteilen.«
    Wieder nickte sie.
    Da erst merkte er, daß sie wie ausgelaugt war. Er fragte behutsam: »Ist dir nicht gut?«
    »Doch«, antwortete sie schnell, wie um ihn loszuwerden.
    »Okay, dann bis morgen zur gleichen Zeit.«
    Sie nickte noch einmal.
    Er beachtete sie nicht weiter und ging seiner Arbeit nach.
    Sie saß noch ein paar Minuten auf dem Schemel. Sie hatte einen derartigen Schwächeanfall noch nie erlebt, konnte und wollte ihn sich auch nicht erklären. Für sie galt nur eines: So etwas durfte ihr

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