Auf einmal ist Hoffnung
nahm sein Gesicht in beide Hände und küßte ihn in überschwenglicher Freude auf den Mund. Das hatte sie vorher noch nie getan.
Unwillkürlich dachte sie an Patrick. Er würde sicher wie aus allen Wolken fallen, wenn er von ihrem Triumph erfuhr. Sie nahm sich vor, es ihm nicht sofort durchs Telefon mitzuteilen, sondern ihn morgen bei ihrer Verabredung persönlich davon zu unterrichten, um seine Verblüffung voll auszukosten.
»Jetzt möchte ich mit dir feiern«, riß Igor sie aus ihren Gedanken.
»Ich auch.« Allmählich fiel die Anstrengung von ihr ab. Er winkte ihnen ein Taxi, und sie fuhren zu Ted's Bar, nahe dem Studio.
Als sie am späten Nachmittag nach Hause kam, fühlte sie sich wie betäubt vor Glück.
9
»Krebs? Bist du dir sicher?« Louis Hornberger sah seinen alten Freund Monroe Kahn zweifelnd an, als wollte er ihm Hoffnung machen.
»Der Befund ist einwandfrei«, sagte Monroe in sich gekehrt mit seiner brüchigen Stimme, »und er ist außerdem noch gestern vom Sloan Kettering Institut bestätigt worden.«
»Bei wem warst du dort?«
»Bei Pollock.«
»Ein guter Mann«, sagte Louis mehr zu sich selbst. Er gab sich geschlagen und senkte betroffen den Kopf. »Seit wann weiß sie es?«
Statt eine Antwort zu geben, blickte Monroe den Freund hilflos an.
»Weiß sie es etwa nicht?« fragte Louis verblüfft.
»Nein.«
»Du hast es ihr nicht …? Wieso nicht? Hat sie denn keinen Verdacht?«
Louis war konsterniert.
Die beiden alten Männer standen sich in Louis Hornbergers Labor bedrückt gegenüber. Monroe gedrungen, mit Bauchansatz, geröteten, weichen Wangen, Louis im weißen Arbeitsmantel, groß, hager, durchgeistigt. Noch vor ein paar Minuten hatten sie in Erinnerungen an ihre gemeinsame New Yorker Zeit geschwelgt, und nichts hatte darauf hingedeutet, daß Monroe wegen einer so ernsten Angelegenheit zu Louis gekommen war.
Er hatte die erste Morgenmaschine genommen, war von Houston aus mit einem Taxi in einer guten Stunde in Galveston gewesen. Er hatte kaum etwas von dem verschlafen wirkenden Ort aufgenommen, weder die von Palmen und Akazien gesäumten Straßen, die kleinen Einfamilienhäuser, deren Farben von der südlichen Sonne gebleicht waren, die offenen Terrassen, auf denen meist ein Schaukelstuhl stand, die künstlich gewässerten Vorgärten, auch nicht das einzige Hochhaus, das der National Insurance Company gehörte und in dieser Umgebung wie ein Fremdkörper wirkte.
Er blühte erst wieder auf, als er den Freund froh umarmt hatte. Sie waren über den kleinen Campus gegangen, hatten die Frische der Meeresluft genossen und sich viel zu erzählen gehabt. Bis sie schließlich im Labor gelandet waren und Monroe dem Freund die schreckliche Eröffnung über Jennifer gemacht hatte.
»Du mußt mich verstehen«, antwortete Monroe jetzt sorgenvoll, »du hast erlebt, was ich bei Philas quälend langsamen Sterben durchgemacht habe. Damals schwor ich mir, nicht noch einmal eine solche Last auf mich zu nehmen, ohne daß ich mit allen Mitteln gegen so ein Sterben ankämpfen würde. Deshalb habe ich Jenny bis heute den Befund verschwiegen.«
Eine Pause trat ein. Louis verarbeitete mit unbewegtem Gesicht das eben Gehörte und sagte verständnislos: »Wie kam es zu dem Befund?«
»Jennys jährliche Routineuntersuchung bei Doktor Coblence. Er steht mir nahe und hat mir den Verdacht im Vertrauen gesagt. Dann bin ich diesem Verdacht nachgegangen. Und jetzt stehe ich hier vor dir.«
»Ich kann das alles noch immer nicht glauben«, sagte Louis wie abwesend und fügte achselzuckend hinzu: »Es gibt eben Phasen im Leben, bei denen Klugheit versagt.«
Monroe schwieg betreten.
»Wann wirst du es ihr sagen?«
»Sobald ich wieder in New York bin. Und ich bete zu Gott, daß es dann Hoffnung für sie gibt.« Monroes Stimme zitterte.
Von neuem trat Stille ein, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Monroe war bei Jennifer. Louis überdachte noch einmal Monroes furchtbare Eröffnung.
»Du mußt es mir nicht näher erklären«, sagte er nach einer Weile versunken, »ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um dir zu helfen.« Als Monroe nicht reagierte und an ihm vorbeisah, setzte er entschlossen hinzu: »Ich sehe auch schon einen Weg. Ich werde alles veranlassen. Dann kannst du übermorgen mit großer Zuversicht zurückfliegen.«
»Übermorgen?« fragte Monroe tonlos, ihm schien die Verzögerung endlos zu sein.
»Meine Position ist zwar unabhängig, aber ich muß trotzdem erst ein paar
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