Auf einmal ist Hoffnung
die ganze Häuserfront.
Menendez stieß die Wagentür auf. »Du wartest hier.«
»Willst du etwa allein losgehen?« fragte Rocha aufgebracht und schickte sich ebenfalls an auszusteigen. Im stillen wünschte er Menendez zum Teufel.
»Bleib sitzen«, herrschte Menendez ihn an, »ich telefoniere nur.« Er stieg aus, schlug die Wagentür zu und ging zur Avenue vor.
Bald darauf kam er zurück und nahm seinen Platz hinter dem Steuerrad wieder ein. »Er ist noch nicht zurück aus Galveston.« Er war verdrossen, sprach mehr zu sich selbst.
»War die Chinesin am Apparat?« fragte Rocha wie nebenbei.
Menendez ging darüber hinweg, zündete sich eine Zigarette an, schnippte das abgebrannte Streichholz mit zwei Fingern durch das offene Fenster auf die Straße und sagte bestimmend: »Wenn sie weggeht, folgen wir ihr.«
Rocha tat, als nehme er von Menendez keine Notiz, hielt sich das Fernglas vor die Augen, richtete es auf den Laden und stellte die Schärfe ein.
»Was siehst du, Compañero Roberto?«
Rocha antwortete nicht.
»He, ich hab dich was gefragt!« Menendez Stimme klang gereizt.
Rocha erwiderte, ohne das Glas von den Augen zu nehmen: »Merkst du nicht, daß ich nicht antworte?«
Menendez schwieg verbissen. Seine Lippen wurden schmal. Er kochte innerlich. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher heftig aus, als wolle er seine schlechte Laune an ihr auslassen. Nach einiger Zeit stellte er für sich selbst fest: »Sie läßt gerade die Rollos runter«, und an Rocha gewandt: »Es ist besser, wenn wir aussteigen. Mit dem Wagen sind wir zu wenig beweglich.«
Sie stiegen aus, gingen vor zur Madison und behielten den Laden weiterhin im Auge. Menendez warf einen Blick hinunter in Richtung des klobigen, dunkelgrauen Baues des Whitney-Museums, wie um sich zu vergewissern, daß niemand sie beobachtete. Sie standen noch keine zehn Minuten, als eine Erregung durch Menendez ging.
May Tsang hatte die Tür zur Madison Avenue abgeschlossen und verließ den Laden kurz danach durch den Seitenausgang an der Siebenundsiebzigsten. Sie trug einen dunkelblauen Wollmantel, eine dazu passende wollene Mütze und hielt eine Einkaufstasche in der Hand. Sie war klein, schmal, schon beinahe sechzig Jahre alt, aber noch wendig. Mit schnellen Schritten überquerte sie die Straße nach Uptown zu und wurde im gleichen Augenblick vom starken Verkehr der dicht hintereinanderfahrenden Busse geradezu verschluckt. Menendez sah im letzten Moment, wie sie in die Achtundsiebzigste einbog.
Sie liefen ihr nach, bis hinüber zur Second Avenue. May Tsang ging in die Einundachtzigste hinein. Vor dem Haus mit der Nummer zweihundertsiebenundachtzig hielt sie an. Hier wohnte sie offenbar.
Es war eines der schmalen Stadthäuser mit zwei oder drei Stockwerken, die in den Nebenstraßen Wand an Wand gebaut waren. Aus dem steinernen Gehsteig sprossen kümmerliche Bäume. Eine schwarzlackierte, eiserne Wendeltreppe führte zum Hauseingang hoch. Die Chinesin aber benützte diese Treppe nicht. Sie stand unschlüssig vor dem Haus, als habe sie etwas vergessen. Dann stieg sie zwei Stufen zu einer vergitterten Souterrainwohnung hinunter, schloß die Eisengitter auf und die Tür und verschwand in der Wohnung.
»Genug?« Rocha wandte sich mit leichtem Spott an Menendez.
»Ja, jetzt kennen wir ihre Adresse«, antwortete der gleichmütig, »gehen wir zurück zum Wagen.«
16
Es war am darauffolgenden Tag. Monroe Kahn hatte das Angebot seines Freundes Louis Hornberger mit Freuden angenommen gehabt und in dessen Haus die beiden Tage verbracht. Harriet, Hornbergers Frau, hatte Monroe jeden Wunsch von den Augen abgelesen, ihm sein Lieblingsgericht, gedünstetes Hammelfleisch, bereitet. Sie war, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, am letzten Abend lange bis Mitternacht bei den Männern auf der Terrasse sitzengeblieben und ihnen eine interessierte Zuhörerin gewesen, als sie einander von ihren gemeinsamen Erlebnissen aus früheren Zeiten erzählt hatten.
Es gab ein reichhaltiges Frühstück: Rühreier mit Speck, heiße Wurst, Toasts, Pancakes, Danishes, Fruchtsäfte, Kaffee. Monroe hatte sich von Harriet überschwenglich verabschiedet und war mit Louis zu dessen Labor gefahren. Dort war inzwischen alles vorbereitet, daß für Monroe die notwendige Menge von Superfexon bereitstand.
Der stählerne Behälter mit dem wertvollen Inhalt war fest verschlossen, versenkt in eine grüne Kühltasche aus Plastik.
Dann war es soweit. Die beiden Männer verabschiedeten sich
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