Auf einmal ist Hoffnung
streckte Louis die Hand zum Abschied hin: »Nochmals meinen herzlichsten Dank.«
Doch Louis unterbrach ihn: »Ich bringe dich noch bis zum Taxi, okay?«
»Seit wann geht es zwischen uns so konventionell zu?« Monroe versuchte zu scherzen.
Louis aber ging darüber hinweg und sagte wehmütig: »Wir sehen uns viel zu selten, Mon. Das Leben ist so kurz. Und du bist mein einziger wirklicher Freund.«
Sie setzten den Weg fort, ließen das Master Geology Laboratory hinter sich, bogen auf den Alamo Way ein und gingen auf das wuchtig wirkende Engineering and Applied Science Center zu.
»Grüß Jenny recht herzlich von mir«, sagte Louis nach ein paar Schritten, und seine Stimme klang noch dünner als gewöhnlich.
»Ich werde sie gleich vom Airport aus anrufen«, sagte Monroe mit unbewegtem Gesicht, »sie ist dann noch im Studio. Und abends werde ich die Aussprache herbeiführen.« Es galt mehr ihm selbst.
»Es wird kein leichtes Gespräch für dich werden, Mon. Ich glaube, ich könnte es ihr nicht sagen. Denn ich bin in solchen Dingen feige.«
»Nein, es wird gewiß kein leichtes Gespräch. Weder für mich noch für Jenny. Aber ich werde es durchstehen. Dank deiner Hilfe, Louis.«
Nach einer Weile sagte Louis: »Ruf mich an, sobald du es hinter dir hast. Okay, Mon?«
Monroe nickte nachdenklich.
Das Taxi wartete schon. Der grauhaarige schwarze Fahrer saß träge hinter dem Steuer. Als die beiden Männer herankamen, beugte er sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür.
Monroe Kahn ließ sich mit dem Einsteigen Zeit. Louis spürte, daß den Freund noch etwas bedrückte. Er versuchte, ihm eine Brücke zu bauen: »Egal, welches Problem du hast, Mon, laß es mich wissen.«
»Es ist alles okay, Louis«, antwortete Monroe tapfer und senkte den Blick. Dann streckte er entschlossen seine Hand dem Freund entgegen.
Die Hände der beiden Männer lagen lange ineinander, ohne daß einer ein Wort sprach.
Dann zog Monroe seine Hand zurück, er räusperte sich ergriffen. »Mach's gut, Louis. Und nochmals Dank.«
»Viel Glück, Mon.«
Monroe hatte die Hand schon auf dem Türgriff, da wandte er sich noch einmal um und sagte leise: »Jetzt bin ich in deiner Schuld.« Er betonte das ›jetzt‹ und das Wort ›deiner‹.
»Nein, Mon. Du kannst nie in meiner Schuld sein. Das weißt du. Ohne dich stünde ich jetzt nicht hier.«
»Lassen wir das«, sagte Monroe, und seine Stimme schien zu brechen, »ich werde dir jedenfalls für deine Hilfe immer dankbar sein.«
Dann stieg er ein.
17
Die M/V ›Sea Baroness‹ gehörte zur Klasse der Luxusliner. Ein schneeweißes, modernes Schiff, das das ganze Jahr hindurch auf Sechs-Tage-Kreuzfahrten New York – Panama – New York eingesetzt war.
Am Salondeck, unmittelbar neben dem Zugang zur Bibliothek, lag der Fotoladen. Ein winziger Raum, in dem sich kaum zwei Menschen umdrehen konnten. Seit zehn Jahren residierte hier Richard Wehovsky, der von allen, die mit ihm zu tun hatten, nur Dick genannt wurde. Er war Chief of Board-Photographers.
Wohl niemand, der ihn auf dem Schiff erlebte, ahnte, daß der hagere, nicht besonders große Dick schon auf die Sechzig zuging. Sein Temperament war kaum zu übertreffen. Es überspielte das faltige Gesicht und den Ansatz von grauen Haaren ebenso wie die graubraunen, schlechten Zähne.
Dick Wehovsky war gewiß keine Schönheit. Aber er war ein Original, wie es wohl nur ein jahrelanges Leben auf See hervorbrachte. In seinem leuchtendroten Jackett mit dem weißen Rückenaufdruck ›Photo-Dick‹ war er jedem Passagier sofort ein Begriff, wenn er die ›Arrival on Board‹-Fotos schoß. Selbst humorlose Manager brachte er mit seinen marktschreierischen Witzen dazu, daß sie in die Kamera lachten, und jeder Frau, die er knipste, vermittelte er das Gefühl, daß sie die schönste war.
Dick arbeitete beinahe rund um die Uhr. Welcome-Cocktail, Shuffleboard-Game, Maskenball in der Lido Lounge, Quiz im Old Vienna Saloon, Captain's Dinner – er war ständig auf den Beinen. Selbst wenn sich seine zwei Assistenten längst in ihre Kabinen zurückgezogen hatten, schoß Dick noch Bilder in den Bars, am Swimmingpool, in der Diskothek oder unter sternklarem Himmel am Promenadendeck. Um Mitternacht saß er gewöhnlich im Labor, entwickelte, kopierte und stellte die Bilder für den Aushang am nächsten Morgen zusammen.
Für Flirts an Bord blieb ihm keine Zeit. Seit Jahren hatte er sich damit abgefunden. Seine sexuellen Bedürfnisse stillte er jeweils im
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