Auf einmal ist Hoffnung
voneinander. Sie waren innerlich aufgewühlt und sehr ernst. Es fiel ihnen schwer, die richtigen Worte zu finden.
Zwei Männer, die schon ein ganzes Leben hinter sich hatten, mit all seinen Kümmernissen, Hartherzigkeiten, Grausamkeiten und der doch immer wieder tröstlichen Zuversicht, daß es auch opferbereite, warmherzige Menschen gab, die das Leben lebenswert machten.
Schon in ihrer frühen Jugendzeit waren sie Freunde geworden, in der damals turbulenten Weltstadt Berlin. Und diese Freundschaft hatte all die Jahrzehnte überdauert, obwohl manchmal über Jahre hinweg der Kontakt abgerissen war.
»Louis, ich finde einfach keine Worte, so glücklich bin ich über deine Hilfe.« Monroe stand vor Louis und hielt die Hände des Freundes. Seine brüchige Stimme wollte ihm vor Rührung nicht gehorchen. Hinter den goldumrandeten Brillengläsern schimmerte es feucht in seinen Augen. Er hob den Blick zu Louis und sah ihn bewegt an.
Louis Hornberger, gut einen Kopf größer als sein Freund, wirkte auch jetzt durchgeistigt. Das schlanke Gesicht mit der hohen Stirn, die ein Kranz von wenigen grauen Haaren umgab, die beinahe durchsichtigen Schläfen, an denen die Adern feinnervig pulsierten, die grazilen, langen Hände. Louis lebte ausschließlich seiner Wissenschaft und war für ein belangloses Gespräch kaum ansprechbar. Monroe Kahn gegenüber aber blieb er nach wie vor der überaus herzliche und aufgeschlossene Freund aus einer Zeit, die ihrer beider Leben geprägt hatte.
»Nein, Mon«, antwortete er mit seiner dünnen Stimme, »du bist mir nichts schuldig. Im Gegenteil, es macht mich froh, daß ich dir helfen kann.«
Sie gingen nebeneinander über den herbstlichen Campus, dessen Ahornbäume reichlich die gelb gewordenen Blätter verloren. Die Luft war mild, doch Monroe trug wie immer einen korrekten dunkelblauen Anzug. Louis hatte einen weißen Arbeitsmantel an, nachlässig offen. Sie kamen an einem modernen Glasbau vorüber.
»Hattest du Schwierigkeiten mit der Beschaffung?« Es schien, als hielte Monroe bedrückt den Atem an.
»Von dem Wundermittel?« Louis gab sich betont aufgeräumt. Als er aber in Monroes ernstes Gesicht sah, setzte er sachlich hinzu: »Superfexon ist zum großen Teil mein Kind, die Arbeit meines Lebens. Wenn es davon schon genug gäbe, wäre ich der glücklichste Mensch«, und dann beantwortete er Monroes Frage: »Nein, es ging reibungslos.« Um den Freund von seinen belastenden Gedanken abzulenken, deutete er auf die gläserne Fassade und erklärte: »Über sechs Millionen Bücher hat unsere Bibliothek inzwischen. Die Manuskripte nicht mitgezählt. Nur Bücher, Mon. Du siehst, hier wird studiert.« Die letzten Worte klangen heiter.
Er blieb stehen, Monroe tat es ihm gleich, und Louis zählte auf: »Bücher über Kunstgeschichte, Medizin, Wirtschaftswachstum, Wirtschaftslehre, für die Labors, für Bergwerkskunde, über Vogelkunde, Musik, Forstwirtschaft, was auch immer du suchst. Es gibt kein Thema, das du hier nicht findest.«
»Es tut gut, auf einen Freund zu treffen, der glücklich ist«, sagte Monroe versonnen.
»Deine Beobachtungsgabe hat noch nichts von ihrer Schärfe verloren, Mon«, antwortete Louis zufrieden. »Du hast recht, ich habe seit ein paar Jahren meine Erfüllung gefunden.«
»Bist du nicht schon immer in deinem Beruf aufgegangen, Louis?« Monroe blieb kurz stehen und betrachtete den Freund mit einem warmen Lächeln. Langsam setzten sie ihren Weg fort. Louis' Gesicht drückte Einverständnis aus, dann sagte er überzeugt: »Dir geht's mit deinen Antiquitäten doch genauso.«
Monroe hörte die Frage wohl heraus. Er antwortete in seiner geduldigen Art: »Allright, Louis. Aber mit Einschränkungen. Manchmal liege ich nachts stundenlang wach und träume mit offenen Augen, daß Phila wieder zur Tür hereinkäme. Glaub mir, es ist nicht einfach für einen Vater, die Mutter zu ersetzen.«
Ein paar Schritte gingen sie schweigend nebeneinander, und jeder hing seinen Gedanken nach. Louis nahm das Gespräch wieder auf, indem er bewußt in die Sachlichkeit auswich: »Wann geht deine Maschine?«
»In nicht ganz zwei Stunden«, sagte Monroe ruhig, »ich erreiche sie bequem«, und setzte hinzu: »Ich habe volles Verständnis dafür, Louis, wenn es dich zu deiner Arbeit treibt.«
Sie bogen auf den mit großen, hellen Steinplatten gepflasterten Weg ab und kamen zu den ebenerdigen dunkelroten Klinkerbauten der medizinischen Labors. Hier hatte Monroe den Freund gestern aufgesucht.
Er
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