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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burk Michael
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sich den Schlaf aus den Augen rieb und schließlich aufstand, brauchte sie einen Augenblick, um zu begreifen, wo sie sich befand. Denn ihr Appartement bot sich ihr völlig anders dar als sonst, wenn der Tag begann.
    Heute lief schon die elektrische Heizung, und es war warm in der Wohnung. Im Halbdunkel stand drüben am Eßplatz ein fertig gedeckter Frühstückstisch, mit zwei Tellern, zwei Tassen, einer dampfenden Kaffeekanne, die wohligen Duft verströmte, frischem Toast, Croissants, Anadama, Buns, Rühreiern, heißen Würstchen, Grapefruit, Danishes und Papierservietten. Und aus dem Nebenraum drang das Geräusch der laufenden Dusche. Jennifer nahm alles unbewegt zur Kenntnis.
    Sie zog die dunklen Vorhänge von den Fenstern zurück. Die Helligkeit des Morgens strömte in den Raum. Sie öffnete kurz ein Fenster und nahm einen Atemzug voll frischer Luft. Aus dem Hinterhof schallten Musikfetzen die roten Backsteinmauern herauf.
    »Hi.« Patrick grüßte mit gedämpfter Stimme und goß den Kaffee ein.
    »Hi«, erwiderte sie ausdruckslos. Sie wollte jetzt kein Gespräch.
    »Hat die Schlaftablette gewirkt?« Er stellte die Kanne auf dem Beistelltisch ab. Sie nickte unbeteiligt.
    Sie begannen schweigend mit dem Frühstück. Nachdem sie zwei Bissen Rührei gegessen hatte, schob sie wortlos den Teller zurück. »Ich kann nicht.« In ihren Augen standen Tränen.
    Er legte beruhigend seine Hand auf ihre. Sie ließ es apathisch geschehen.
    »Der Schmerz ist unerträglich, ich weiß«, sagte er leise.
    Sie bewegte die Lippen kaum und sah an ihm vorbei. Auf einmal wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt, und sie weinte hemmungslos.
    Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft zu sich heran. »Die Trauerzeit wird lange dauern, Jenny«, sagte er behutsam, »darüber mußt du dir im klaren sein.«
    Sie schwieg. Aus ihrem Gesicht war alles Blut gewichen. Sie hatte tiefe Ränder unter den Augen und sah erbärmlich aus.
    Allmählich beruhigte sie sich wieder. Sie setzte sich aufrecht und wischte sich mit der Serviette die Tränen ab. Starr sah sie gegen die Wand.
    Um sie abzulenken, erzählte er von seinen Erlebnissen der letzten Tage, von Brown, von den beiden Fremden, die ihn überfallen hatten, und von seiner Flucht ins Plaza Hotel.
    Sie hörte kaum hin.
    »Du brauchst jetzt viel Kraft, Jenny«, redete er ihr zu, »du solltest dich zum Essen zwingen.«
    »Ich kann nicht«, antwortete sie reglos.
    »Trink wenigstens einen Schluck Kaffee.«
    Sie reagierte nicht.
    Er setzte ihr die Tasse an den Mund, und sie trank. Ihr Gesicht war maskenhaft.
    Er strich Butter auf eine Scheibe Toast und nötigte sie behutsam, davon abzubeißen. Dann gab er ihr eine Gabel mit Rührei in die Hand, und sie aß davon. Es verstrich eine geraume Weile, bis sie schließlich selbständig ein paar Bissen zu sich nahm.
    »Woher willst du wissen, wie stark dieser Schmerz ist?« fragte sie kaum hörbar ohne Vorrede.
    »Als ich achtzehn war, ist meine Mutter gestorben«, antwortete er mehr für sich selbst, »ich werde den Tag und die Zeit danach nie vergessen.«
    Er schenkte ihr noch etwas Kaffee ein und gab ihr die Tasse in die Hand. Sie trank wie abwesend.
    Er nahm ihr die Tasse wieder ab, stellte sie zurück auf den Tisch und nahm Jennifer warmherzig in seinen Arm. »Ich liebe dich, Jenny«, sagte er leise, »und ich werde immer für dich da sein.«
    Sie sah unbeteiligt gegen die Wand. Sie saßen lange so, und die Wärme ihrer Körper ging ineinander über.
    Plötzlich stand Jennifer auf und sagte: »Ich danke dir, Rick.« Es war eine Verabschiedung.
    Ihm war, als zittere sie am ganzen Körper. »Kann ich dir irgend etwas abnehmen, Jenny?« fragte er behutsam und stand ebenfalls auf.
    »Nein.«
    »Vielleicht die Sache mit Chester Wilson?«
    »Ich will es ihm selbst sagen.« Und als belebe sie allein schon die Erinnerung an die Metropolitan Opera, setzte sie einsichtig hinzu: »Ich kann vorläufig nicht tanzen. Es ist ganz unmöglich. Ich glaube, ich kann nicht einmal die Treppe hinuntergehen, ohne daß mir die Beine wegknicken.«
    »Soll ich hierbleiben?« Er strich ihr mit der Hand zärtlich übers Haar.
    »Nein.«
    »Aber wenn irgend etwas passiert?«
    »Was soll passieren?«
    »Ich lasse dich in deinem Zustand nur ungern allein.«
    »Ich habe Telefon, das genügt.« Sie ging voraus zur Tür.
    »Versprich, daß du niemand Fremden öffnest.«
    Sie beachtete es nicht und sagte: »Du mußt jetzt deinem Job nachgehen.«
    »Versprich es mir, Jenny,

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