Auf einmal ist Hoffnung
Stan, das Kungliga Slottet und den kleinen Hafen von Söder. Die nur kniehohen Beistelltische, auf denen ein paar medizinische Zeitschriften lagen. Die hellbeigen Leinenvorhänge.
Es war nur wenig Betrieb in der Halle. Draußen fing es zu regnen an.
Jennifer wurde allmählich ungeduldig. Da kam die ihr inzwischen schon geläufige Stimme des Doktor Hellgrup noch einmal über den Lautsprecher.
Dann hob die Blonde den Blick zu ihnen. »Professor Sellenstett legt jetzt gerade eine Pause ein. Er ist in seinem Büro. Am besten ist, Sie gehen einfach hinüber. Erster Stock, Zimmer fünfzehn.«
Jennifer stand auf. Patrick zögerte. »Okay, komm mit«, sagte sie resignierend, und er nickte entschlossen.
Sie überquerten die kleine Grünanlage mit schnellen Schritten, um nicht allzu naß zu werden, und gingen die drei breiten Stufen zum Eingang hoch, als Jennifer unter der Überdachung anhielt. Ihr Blick fiel auf das Bronzeschild.
»Was heißt ›Kräfta-Forskning-Adveinig‹?«
»Krebs-Forschungs-Abteilung«, antwortete er überrascht.
Jennifer sah ihn starr an. Ihr Inneres krampfte sich zusammen. Sie wagte nicht zu atmen. Dann senkte sie verstört den Blick, und über ihre Lippen kamen kaum hörbar die Worte: »Mein Gott, das habe ich nicht geahnt.«
Auch Patrick war für eine Weile sprachlos. Er fühlte mit ihr. Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie flüchtig an sich. »Vielleicht ist ihm viel erspart geblieben.« Es kam einfühlsam leise.
Sie preßte die Lippen zusammen und nickte unmerklich.
Er hielt ihr die Tür zur kleinen Vorhalle auf.
Ein hellgrüner Flur, gelbe Türen mit blauen Namensschildern: Es sah fast so aus wie in einem fröhlichen Kinderheim. Eine luftige Treppe aus hellen hölzernen Bohlen in das erste Stockwerk, der gleiche Flur, die gleichen Türen wie unten. An der achten Tür das Schild ›Prof. Dr. Dr. Sellenstett‹.
Patrick klopfte an. Von drinnen kam eine helle Stimme: »Vad?«
Er nahm es als Aufforderung einzutreten und drückte die Klinke.
Ein schmaler, nicht allzu großer Mann saß mit dem Rücken zur Tür über einen Tisch gebeugt und las in einer Zeitschrift. Sein spärliches blondes Haar gab am Hinterkopf eine Glatze frei. Er trug einen weißen Mantel. Auf dem Tisch stand eine Tasse Kaffee.
Als Patrick sich räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen, wandte sich der Mann im weißen Mantel zu ihm um und sah ihn mißtrauisch an. »Vat betyder det här?« Er war etwa fünfzig Jahre alt.
»Ich verstehe kein Schwedisch«, sagte Patrick, »ich suche Professor Sellenstett.«
»Das bin ich«, antwortete der Mann auf englisch, ohne sich von der Stelle zu rühren. Das Mißtrauen blieb.
Patricks Blick ging durch den Raum. Ein schlauchartiges Zimmer in Dunkelgrün. An der Stirnseite ein Fenster zur Grünanlage hinunter, dazu ein grüngelb gemusterter Vorhang. Eine nichtssagende Deckenleuchte. Am Tisch eine Arbeitslampe.
Ein dunkelgrünes Regal füllte die eine Seitenwand aus. Darin stapelten sich Bücher, Aktenordner, Zeitschriften, lagen mehrere Paare gelber Gummihandschuhe, eine Stabtaschenlampe, ein paar Pfeifen mit einem Tabaksbeute!, standen zwei Kaffeetassen, eine Dose Milch, eine leere Blumenvase. An der gegenüberliegenden Wand hingen eine große Kalendertafel, die von Notizen übersät war, und ein unter Glas gerahmtes Notenblatt der Leningrader Symphonie von Dimitri Schostakowitsch.
Noch bevor Patrick etwas erklären konnte, musterte Sellenstett ihn streng. »Wer hat Sie zu mir gelassen?«
»Niemand«, antwortete Patrick ruhig, »wir haben selber den Weg gefunden.«
»Sie sehen, daß ich arbeite. Bitte verlassen Sie mein Zimmer.« Sellenstett kehrte ihm ungehalten den Rücken zu und beugte sich wieder über seine Lektüre.
Jennifer, die schräg hinter Patrick stand, sagte beherrscht zu Sellenstett: »Ich habe vor zwei Tagen von New York aus hier angerufen.«
Sellenstett reagierte nicht.
»Wir müssen Sie dringend sprechen«, pflichtete Patrick Jennifer bei.
Da fuhr Sellenstett herum und herrschte sie beide an: »Bitte verlassen Sie jetzt endlich mein Zimmer!«
Patrick warf Jennifer einen fragenden Blick zu. Sie zuckte resigniert die Achseln und war im Begriff, den Raum zu verlassen, als Patricks Unnachgiebigkeit sie zögern ließ. »Wir sind nicht von New York für zwei Stunden hierhergeflogen, um uns von Ihnen abweisen zu lassen«, stellte er laut und eindringlich fest, so daß Sellenstett aufhorchte.
»Wer sind Sie?« Sellenstett drehte sich ärgerlich
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