Auf einmal ist Hoffnung
Befund Ihrem Vater nur auf dessen ausdrücklichen Wunsch ausgeliefert habe. Er bat uns, diesen Befund sorgfältig zu prüfen und an Mister Kahn zurückzuschicken. Das zweite Schreiben beinhaltete den Befund. Und das dritte Schreiben war von Ihrem Vater abgefaßt. Darin verpflichtete er uns sozusagen, niemandem, außer ihm persönlich, den Befund zugänglich zu machen und darüber hinaus keinerlei Auskünfte an Dritte zu erteilen, eingeschlossen Sie, Miss Kahn.«
»Auch mir nicht?« Sie sah verwundert von Hellgrup zu Patrick.
Patrick fühlte sich angesprochen und fragte Hellgrup: »Ist das zulässig, Doktor?«
»Soviel mir bekannt ist«, entgegnete Hellgrup zuvorkommend, »gibt es dafür keine Rechtsgrundlage, weder bei Ihnen in den Vereinigten Staaten noch bei uns in Schweden. Aber wir waren schon verschiedentlich mit derartigen Wünschen konfrontiert und haben es uns zur Regel gemacht, solchen Wünschen zu entsprechen.«
»Gilt das auch im Fall meines Vaters?«
»Ich fürchte, ja«, antwortete Hellgrup nachdenklich.
»Auch, obwohl mein Vater nun tot ist?«
»Ja.«
»Gibt es keine andere Möglichkeit?« fragte Patrick hell hörig.
»Nur eine«, sage Hellgrup, »wenn Doktor Coblence grünes Licht gibt.«
»Doktor Coblence kenne ich«, sagte Jennifer aufatmend mehr zu sich selbst, und zu Hellgrup gewandt: »Er ist seit langem unser Hausarzt. Einmal im Jahr lasse ich bei ihm meinen Check-up machen. Er steht sicher auf meiner Seite.«
»Das wäre für Sie erfreulich, Miss Kahn. Aber eine Auskunft darf ich Ihnen ohne weiteres geben.« Er betonte daß Wort ›eine‹.
»Ja?« Sie sah ihn gespannt an.
»Der Befund war nicht einwandfrei. Er hatte Lücken. Wir konnten zu keinem verbindlichen Urteil kommen.« Hellgrups Blick ging von Jennifer zu Patrick. »Aber das geht ja auch schon aus dem Brief hervor, den wir Ihrem Vater vor ungefähr einer Woche geschrieben haben.«
Einen Augenblick lang schien es, als sei das Gespräch zu Ende, doch dann fragte sie Hellgrup zögernd und suchte nach den geeigneten Worten: »Wenn mein Vater nun den Befund früher …? Glauben Sie, daß er dann noch eine Chance gehabt hätte? Was die Krankheit betraf, meine ich?«
»Alles, was ich Ihnen darüber sagen würde, wäre falsch«, erwiderte Hellgrup vorsichtig, »das heißt, es würde jeder echten Grundlage entbehren. Sie verstehen also, wenn ich mich deshalb jeder diesbezüglichen Äußerung enthalte?«
Wieder schaltete sich Patrick ein: »Halten Sie es für möglich, daß sich Mister Kahn auf Empfehlung von Doktor Coblence an Sie gewandt hat?«
»Es ist möglich, warum nicht?« entgegnete Hellgrup liebenswürdig und zwirbelte unbewußt seinen Schnurrbart.
»Was aber könnte dafür den Ausschlag gegeben haben, Doktor?« setzte Patrick seinen Gedankengang fort. »Gab es nicht eine besondere persönliche Verbindung von Doktor Coblence oder Mister Kahn zu Stockholm, die für uns interessant sein könnte, vielleicht sogar in bezug auf Mister Kahns Tod?«
Hellgrup zuckte unschlüssig die Achseln. »Davon ist mir nichts bekannt.«
»Warum aber ausgerechnet Stockholm?« fragte Patrick hartnäckig. Das Zimmer war überheizt, er öffnete seinen Mantel.
»Beim besten Willen«, sagte Hellgrup, »eine definitive Antwort kann ich Ihnen darauf nicht geben. Ich kann es nur vermuten. Aufgrund zahlreicher anderer Fälle, die vielleicht ähnlich gelagert waren.«
Als sowohl Patrick als auch Jennifer nichts erwiderten, sondern ihn nur erwartungsvoll ansahen, holte er etwas weiter aus: »Wir gehören zu den wenigen Instituten auf der Welt, die gegen bestimmte Krebsarten – na, wie soll ich sagen, schon sehr brauchbare Erfolge erzielt haben.«
»Gegen welche Arten?« fragte Patrick dazwischen und zog seinen Mantel ganz aus.
»Zum Beispiel am osteogenen Sarkom«, sagte Hellgrup. Er griff in die Tasche seines weißen Arztmantels, holte eine eingewickelte Vitamintablette heraus, wickelte sie aus und steckte sie sich wie beiläufig in den Mund.
»Osteogen?« Jennifer konnte mit dem Begriff nichts anfangen.
»Knochentumor«, stellte Hellgrup trocken fest und erläuterte verbindlich: »Gewöhnlich wird einem daran Erkrankten der Primärtumor, also das Zentrum des Krebses, chirurgisch entfernt. Diese Operation schließt aber nicht aus, daß die Krankheit trotzdem weiter fortschreitet.« Er sah zu Jennifer hin. »Drücke ich mich klar genug aus?«
»Ja«, sage Jennifer ernst.
Hellgrup versenkte jetzt beide Hände tief in den Taschen seines
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