Auf einmal ist Hoffnung
Mantels und fuhr behutsam fort: »Seit neunzehnhundertsiebenundsiebzig haben wir hier an der Karolinska Klinik absolut einen Durchbruch erzielt, was den Knochenkrebs betrifft. Im allgemeinen waren bis dahin drei Jahre nach der Operation bedauerlicherweise höchstens noch dreißig Prozent der Operierten am Leben. Wir steigerten damals schon die Erfolgsquote auf siebzig Prozent. Heute liegt sie noch wesentlich höher.«
Patrick schwieg beeindruckt. Jennifer hatte den Blick gesenkt.
Eine Weile war es still im Zimmer.
Dann fragte Patrick mit gedämpfter Stimme: »Doktor, ist Ihnen bekannt, auf welche Art von Krebs der Befund Mister Kahns hinwies?«
»Nein. Es war nur ein Blutbild.« Hellgrup war sich seiner Antwort sicher.
»Kann es Knochentumor gewesen sein?« forschte Patrick weiter.
»Natürlich kann es auch Knochentumor gewesen sein. Warum fragen Sie?«
»Weil Mister Kahn die genaue Diagnose doch selbst nicht bekannt gewesen war, oder irre ich mich?«
»Sie haben recht.«
»Also wird er sich wohl kaum wegen Ihrer unbestreitbaren Erfolge gegen den Knochentumor an Sie gewandt haben«, sagte Patrick nachdenklich.
»Wir haben nicht nur gegen den Knochentumor Erfolge erzielt.« Hellgrup lächelte und erklärte geduldig: »Wir haben auch wichtige Teilerfolge beim Brustkrebs aufzuweisen, beim Hautkrebs und beim Neuroblastom im Stadium vier, das ist eine Geschwulst, die bei Kindern auftritt und sich unter Neuroblasten bilden kann, unter noch unausgereiften Nervenzellen.«
Er machte eine Pause, damit die beiden seine Worte aufnehmen konnten. Als aber weder Patrick noch Jennifer etwas entgegneten, setzte er seine Erklärung fort: »Ohne Übertreibung darf ich sagen, daß wir auch Erfolge erzielt haben beim Nasopharynxkarzinom, also bei Krebs im Nasen-Rachen-Bereich, und bei bestimmten Formen von Leukämie, als Blutkrebs.«
»Leukämie?« Jennifer horchte auf.
»Ja«, bestätigte Hellgrup, »bei Leukämie sogar besonders nachhaltige.«
»Nachhaltige?« fragte sie in sich gekehrt und war bedrückt.
Hellgrup sah es ihr an. »Glauben Sie, daß Ihr Vater womöglich …?«
»Nein.« Sie schüttelte unmerklich den Kopf und sagte kaum hörbar: »Meine Mutter. Sie ist daran gestorben. Vor zweiundzwanzig Jahren.«
Wieder breitete sich für ein paar Augenblicke Stille aus, bis Hellgrup bedauernd die Achseln hob und gedankenverloren feststellte: »Man baut Autos, die bis an die vierhundert Stundenkilometer rasen, Wolkenkratzer von über hundert Stockwerken und fliegt auf den Mond. Aber im Vergleich dazu kommt die medizinische Wissenschaft nur zäh voran. Und manchmal verzweifle ich an meinem Beruf.« Aus ihm sprach die Ohnmacht des verantwortungsbewußten Arztes.
Patrick war in Gedanken noch immer bei Monroe Kahn und dessen möglicher Verbindung zu Stockholm. Er wollte diese Frage unbedingt noch hier klären. Doch auf einmal fiel sein Blick auf die Digitaluhr, und er erschrak. »So leid es uns tut«, sprach er auch für Jennifer zu Hellgrup, »wir müssen uns beeilen, wenn wir unsere Maschine nicht versäumen wollen. Haben Sie besten Dank für Ihre ausführlichen Erklärungen, Doktor Hellgrup. Ich freue mich, Ihnen begegnet zu sein.« Er meinte es aufrichtig.
Hellgrup hatte Patricks Blick zur Uhr bemerkt und beschwichtigte ihn lächelnd: »Diese Uhr ist mein gutes Gewissen. Ich bin nämlich ein Mensch, der gerne zu spät kommt. Deshalb geht diese Uhr immer zwanzig Minuten vor.«
»Dann komme ich noch einmal auf Mister Kahn zu sprechen«, sagte Patrick. »Wir wissen also nicht, warum er sich ausgerechnet ans Karolinska Institut gewandt hat?«
»Wir wissen es nicht mit Bestimmtheit«, verbesserte ihn Hellgrup nachsichtig, »aber ich glaube davon ausgehen zu können, daß unsere Erfolge ihn auf uns aufmerksam gemacht hatten.«
»Ich bin zwar kein Experte«, wandte Patrick skeptisch ein, »aber wurden nicht auch in anderen Ländern Erfolge gegen Krebs erzielt? Zum Beispiel in China?« Er griff Sellenstetts Gespräch mit Hellgrup auf.
»Absolut. Aber die führenden Männer auf diesem Gebiet sind an zwei Händen aufzuzählen.«
»Sellenstett …«, begann Patrick, um Hellgrup zum Weiterreden zu veranlassen.
Hellgrup ging darauf ein. »Da gibt es Hindemann und Reissmann in der Schweiz, Cohen und Winter in England. Hornberger und Bilceck in den USA, Hansell in Finnland und eben Sellenstett hier.«
»Einen Moment, Doktor.« Jennifer wurde aufmerksam. »Meinen Sie Hornberger in Houston?«
»Ja«, bestätigte Hellgrup
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