Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition)
Ausflug.
Sie hätte in der Stadt Besorgungen gemacht und dabei einige nette Leute kennengelernt. Auch einige Mädchen, die im Red Onion Saloon arbeiten. Da sie ja was von dem Geschäft versteht, waren sie natürlich gleich ins Gespräch gekommen. Auch darüber, dass sie eine Arbeit sucht. Die Mädchen nahmen sie mit und Betty sah sich den Saloon an. So etwas hätte sie noch nicht gesehen. Das genaue Gegenteil von der Spelunke in Seattle. Fein und sauber. Mit einer langen Teakholz-Bar und sauberen Tischen und Stühlen. Überall waren schwere, rote Stoffvorhänge angebracht. Weiter hinten führte eine Treppe zu einer Galerie hinauf, wo feine Bürger speisten und tranken. Überall große, alte Bilder aus Europa und feine Seidentapeten an den Wänden. Die Besitzerin – die charmante Miss Aileen – hatte sie sofort in ihr Herz geschlossen. Sie hatten sich so viel zu erzählen gehabt. Und auf die etwas besorgte Frage von Betty nach ihrem Aufgabenbereich hätte sie gelacht und ihr zu geraunt, dass sie nur für die Unterhaltung der Gäste da sein würde. Sie zum Trinken und Essen animieren solle. Alles Übrige würden schon gewisse andere Damen erledigen. Dass Betty tanzen konnte, wäre ein großer Glücksfall. Dann sagte sie noch, hier in Skagway liege das Geld auf der Straße, man bräuchte es nur aufzuheben. Und dann hätte sie wieder gelacht und gesagt: „Jedenfalls in unserem Metier.“
Betty erzählt Henry voller Begeisterung davon und ist hin und weg. Der hört sich das alles amüsiert an und kichert in sich hinein. „Na, erst mal sehen, was dein Clay dazu sagt“, grinst er. „Oooch, der wird auch begeistert sein“, freut sich Betty. „Dort kann mir doch nichts passieren. Die sind alle so nett und da kommt von den Halunken auch keiner rein.“ „Mhh, naaaa, erst mal abwarten“, erwidert Henry skeptisch. „Das müssen wir feiern“, ruft Betty fröhlich und holt sofort eine Flasche Whisky und Gläser. Der Alte lacht laut. „Nicht so schnell, Mädel. Lass Clay erst mal hier sein. Der wird jeden Moment ankommen.“ Betty blickt sich erstaunt um. „Wo ist denn übrigens Hendrik?“ Der Alte nuckelt an seiner Pfeife. „Mhh, der musste mal wieder weg. Man brauchte ihn. Der ist heute noch mit dem Dampfer „Nora“ zurück nach Seattle. Wird wohl eine Weile dauern, bis er hier wieder auftaucht.“
Dann hören die beiden Schritte draußen auf der hölzernen Veranda und Clay kommt herein. Er sieht die Flasche auf dem Tisch und fragt: „Gibt`s was zu feiern?“ „Jaaa, ein klein wenig“, freut sich Betty. Dann erzählt sie ihm von ihren Erlebnissen und dass sie im Red Onion Saloon Arbeit gefunden hätte. Clay gießt sich einen Drink ein und sein Gesicht wirkt ernst und nachdenklich.
Um die Situation zu entspannen, fragt Betty, was er denn so alles getrieben hat. „Habe ein paar nette Leute kennengelernt“, grinst Clay hintergründig und spielt mit seinem Glas. Jetzt, da Betty ihm offenbart hat, dass sie sich hier wohlfühlt und auch noch eine Arbeit gefunden hat, auf die sie sich freut, verschweigt er ihr doch den Vorschlag, nach Dyea zu ziehen. Es hätte keinen Sinn. Und zudem hat sie ja recht. Sie konnten wirklich froh sein, hier so ein nettes Heim gefunden zu haben. Wenn er sich im Frühjahr auf den langen Weg in den Yukon machen wollte, war sie hier bestimmt gut aufgehoben. Henry war ja auch noch da und würde auf das Mädel schon gut aufpassen. So wischt er alle Bedenken zur Seite und akzeptiert ihre Entscheidung.
Als er später einen Augenblick mit Henry alleine ist, erzählt er ihm von seiner Begegnung mit dem Glatzkopf. Und rückt auch mit der Wahrheit heraus, warum er unbedingt in den Yukon will, dass er seinen Stiefbruder sucht. Henry hört schweigend zu. Nickt nur ab und an. Macht aber keine Anstalten, ihm das auszureden. „Es ist deine Entscheidung. Ganz alleine deine“, bemerkt er nur bedächtig. „Trotzdem würde ich deiner Kleinen davon erzählen, was du wirklich vorhast. Sie hat es verdient. Sie ist ein prächtiges Mädel, und ich sehe doch, dass du sie liebst. Und sie liebt dich. Das ist doch offensichtlich. Lass sie nicht im Unklaren, mein Junge.“
Nachdenklich blickt Clay in sein Glas. Er muss dem Alten Recht geben. Es ist an der Zeit, Betty die Wahrheit zu sagen. Er liebt sie wirklich, das weiß er jetzt. Und wenn ihre Beziehung Bestand haben soll, muss er ehrlich sein. So beschließt er, ihr am nächsten Tag die ganze Wahrheit zu erzählen. Henry klopft ihm freundschaftlich auf
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