Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition)

Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition)

Titel: Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Pape
Vom Netzwerk:
hören sie die Geräusche der trampelnden, fluchenden und stöhnenden Masse der Männer. Die sich wie eine endlos windende Schlange den Weg hinauf zum Pass bahnt. Dazwischen das Wiehern und Schnauben der Pferde, die schwer bepackt und ohne Rücksicht nach vorne getrieben werden. Sogar Alaskan Malamuts – Schlittenhunde von starkem Körperbau – werden als Träger eingesetzt. Denn nach einem Gerücht kann man den Pass mit Tragtieren überqueren. Doch die Tiere versinken im Schnee, brechen sich die Knöchel, ersaufen in dem eiskalten Fluss oder bleiben gestürzt mit zerschmettertem Knochen in den tückischen Felsspalten liegen, verlassen von ihren Besitzern. Vielen ist ihr Tragtier noch nicht einmal eine Patrone wert.
    Etwa 3.000 Pferde werden am White Pass sterben, Ochsen, Ziegen und Hunde werden erst gar nicht gezählt. Und niemand zählt die Verluste unter den Goldgräbern. Denn von den ca. 4.000, die den Pass zu überqueren versuchen, lassen schon Hunderte ihr Leben im Eis des Küstengebirges.
    Hier unten, kurz hinter der Stadt, ist es noch vergleichsweise flach und eben. Doch stetig wird der Weg steiler und steiniger. Zwischendurch wieder Flächen, in denen man tief im Schlamm versinkt. Jetzt im Frühjahr, nach der Schneeschmelze, ist alles aufgeweicht und der Skagway River führt Hochwasser. Das Rauschen des Wassers ist ständiger Begleiter der drängenden, sich rücksichtslos nach vorne schiebenden Menschenkette. Auch Clay und seine Begleiter stapfen unermüdlich vorwärts. Ab und an bleibt ihr Führer „Black Horse Charly“ stehen und wartet, bis die anderen aufgeschlossen haben. Eine Explosion auf der anderen Seite über dem Skagway River lässt erkennen, das man wirklich mit dem Bau der Eisenbahn begonnen hat. Tausende Arbeiter sind jetzt damit beschäftigt, eine Trasse durch das unwegsamste Gebiet im Norden zu schlagen. Mit Schwarzpulver, Hacke und Schaufel, geht man den Felsen zu Leibe.
    Clay Morgan wünscht sich jetzt sehnlichst, dass die Bahn schon fertig wäre und sie bequem und ohne Mühe über den White Pass fahren könnten. Doch sie müssen weiter. Sich wie die anderen über Felsen und durch Schlamm ihren Weg bahnen. Bald wird die Last auf seinem Rücken unerträglich. War es anfangs noch verhältnismäßig leicht, drücken die fünfzig Kilo ihn jetzt mit brutaler Gewalt in die Knie. Solche schweren Lasten über Meilen zu schleppen, ist er nicht gewohnt. Er war Cowboy und seine Arbeit erledigte er meistens zu Pferde. Schon bald schmerzen seine Arme. Der Rücken droht zu bersten. Seine gerade verheilten Rippen tun ihr Übriges, um ihn verzweifeln zu lassen. Was tut er sich hier eigentlich an? Er sucht kein Gold. Er will keinen schnellen Reichtum. Und er ist kein Irrer, wie die anderen hier. Die wie in Trance und nicht mehr sie selbst vorwärts stolpern, kriechen und wanken. Zum Teufel mit alledem denkt er und hadert mit sich selbst. Er verflucht diesen Berg und die Umstände, die ihn hierher geführt haben.
    Und noch liegen 15 Meilen vor ihnen. Ein lautes Wiehern schreckt ihn aus seinen dumpfen Gedanken. Vor ihm bricht ein Pferd unter der Last zusammen. Angetrieben von Stock und Peitsche seines Besitzers, verlässt es die Kraft. Mit heraushängender Zunge liegt es am Rand des Pfades. Blut dringt in kleinen Bläschen aus seinen Nüstern. Und mit weit aufgerissenen Augen verendet es mit grotesken Zuckungen. Sein Besitzer sinkt kraftlos zu Boden. Sein starrer Blick ist ins Leere gerichtet. Für ihn ist die Reise beendet. Ungeachtet des Dramas stolpern die anderen an ihm vorbei. Beachten ihn keines Blickes. Treten auf das tote Tier und steigen ungerührt darüber hinweg. So wird der Kadaver immer weiter durch gnadenlose Stiefel in den tiefen Schlamm gedrückt. „ Dead Horse Gulch“ , „Die Schlucht der toten Pferde“ nennt man diesen Abschnitt. Clay und seine Begleiter werden noch allzu oft solche Szenen erblicken. Verendete, abgestürzte und zu Tode geprügelte Kreaturen, um die sich kein Mensch Gedanken macht. Bis die Eisenbahn über den Pass fertig gestellt ist, werden hier Tausende Kadaver liegen. Auf diesem Pfad hört der Mensch auf, Mensch zu sein. Nur die niedersten Instinkte halten die stumpfsinnigen Gestalten noch am Leben. Wo irgendwo ein noch so kleiner Platz am Rande des Trails frei ist, liegen kaputte, ausgelaugte und hoffnungslose Männer. Viele von ihnen blicken Clay und seine Begleiter mit leeren, ausdruckslosen Augen an. Einige schütteln unmerklich und erschlafft den Kopf. Als

Weitere Kostenlose Bücher