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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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und Beine. Ich wusste, dass sie das Gleiche dachte wie ich, dass sie, genau wie ich, einen anderen Mann sah, der sich über dasselbe Heck beugte, entweder zu betrunken oder zu nüchtern, um seine Beine davon abzuhalten, darüberzuklettern, aufs Wasser aufzuschlagen und, ohne sich zu wehren, dort zu versinken.
    Er trieb auf dem Wasser, während wir zusahen und wussten, dass es keine Hoffnung, keine Rettung gab. Wir beobachteten,
wie das Wasser ihn kurz abwog und dann für sich beanspruchte. Wir kämpften gegen den Drang an, ihn wieder herauszuziehen. Wir sahen zu, wie sich seine Hosenbeine aufblähten, wie sein Mund sich mit Wasser füllte, beobachteten, wie seine Arme auf uns zutrieben, als schmerze es ihn, uns zu verlassen. Wir fütterten den Ozean mit diesem letzten Stück und fragten uns, was uns wohl blieb.

FÜNF
    Blutwurz

Juni 2007

26
    Ich hatte mich mit den zerrissenen Briefen beschäftigt, die ich mitgebracht hatte, sie auf dem Bett herumgeschoben und die einzelnen Fragmente wieder zusammengesetzt. Es war eine schwierige Arbeit, weil wir beide, Eve und ich, mit blauem Stift auf weißes Papier geschrieben hatten, und die Prozedur erinnerte an die nervtötenden tausendteiligen Puzzles, deren Motive zu zwei Dritteln aus blauem Himmel oder aus Körben mit völlig identisch aussehenden Golfbällen bestanden. Doch unsere Handschriften unterschieden sich glücklicherweise genug, um sie auseinanderhalten zu können - Eves Schrift gerade und kantig, die meine geneigt und schlank. Einmal hatten wir einen Artikel in der Cosmopolitan über die Analyse von Handschriften gelesen, und der besagte im Großen und Ganzen, dass Eve halsstarrig sei und ich lieber in die Vergangenheit blickte, als die Gegenwart zu akzeptieren. Erstaunlich zutreffend, wenn man bedachte, dass der Artikel vermutlich von einer einundzwanzigjährigen Studentin der Kommunikationswissenschaften verfasst worden war, die sich damit gute Referenzen für ihren Lebenslauf erhoffte und fünfhundert Dollar Zuschuss für ihre Studiengebühren verdiente.
    Ich begann mit Eves krakeliger Unterschrift und arbeitete mich hinauf, indem ich Zeilen, Buchstaben und Wörter zusammenfügte. So viele verstümmelte, im Zorn zerrissene Fetzen. Es war eine geistlose Arbeit, die mich dennoch alles andere als unbeteiligt
ließ. Meine Hände waren ruhig, innerlich jedoch vib rierte jede Faser meines Körpers. Vielleicht lieferten aber allein die Worte, die Eve benutzt hatte, ihre Lügen, um ihn mir wegzunehmen, eine Art Antwort. Doch während ich mit den Fetzen herumspielte, konnte ich nur daran denken, wie unglaublich jung und dumm wir beide gewesen waren.
    Nachdem ich die beiden unteren Zeilen wiederhergestellt hatte, starrte ich darauf und versuchte zu verstehen, was sie bedeuteten. Zum ersten bin ich ausgefüllt. Ich bin im Zimmer meines Dads, wenn Du darüber reden willst.
    Ich klebte Tesafilm über die Zeile, um die einzelnen Stücke zusammenzuhalten, und schob dann alles wieder in den Umschlag zurück. Es hatte keinen Sinn. Nichts würde sich dadurch ändern.
    Ich sah auf die Uhr. Halb drei. Um zwei war Eve gewöhnlich wach und bat um die Bettpfanne oder die Pillen, von denen sie wusste, dass ich sie ihr noch nicht geben konnte. Ich steckte den Umschlag unter mein Kissen und ging nach unten.
    Eve lag auf die Kissen aufgestützt im Bett und sah ungewöhnlich munter aus. Ihre Blicke wirkten lebhaft und nervös, und einen Moment lang fragte ich mich, ob sie irgendwie wusste, was ich gerade getan hatte.
    »Kerry«, sagte sie.
    »Möchtest du einen Schluck Wasser?«
    »Ja, sicher. Das wäre schön.«
    Als ich mit dem Wasser zurückkam, waren ihre Augen geschlossen. Ich stellte das Wasser auf den Nachttisch neben eine Nagelschere, setzte mich aufs Bett und nahm die Schere in die Hand. Wie sinnlos von ihrem Körper, Energie für das Wachsen von Fingernägeln zu verschwenden, wenn er gleichzeitig alles
andere eingestellt hatte. »Soll ich dir deine rechte Hand maniküren?«
    »Eigentlich will ich einfach nur schlafen«, antwortete sie mit geschlossenen Augen. »Bitte.«
    Ich nickte und beugte mich hinunter, um ihr die Decke bis zum Kinn hinaufzuziehen. In dem Moment sah ich das Blut. Ich schrie auf und fuhr zurück.
    Sie schlug die Augen auf.
    »Du blutest! Eve, o Gott …« Das Blut breitete sich aus, sickerte durch ihre Decke. Mit einem erstickten Schrei zerrte ich an dem Laken und erwartete, irgendein monströses, nässendes Gebilde zu entdecken, vielleicht ihren Krebs

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