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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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persönlich, der sagte: Hallo! Da bin ich! Doch was ich inmitten des Bluts zu sehen bekam, war ein tiefer Schnitt an ihrem Handgelenk.
    »O mein Gott.« Ich drückte die Decke auf ihr Gelenk. Eine Aderpresse, ich brauchte eine Aderpresse. Ich riss den Schal von Eves Kopf und band ihn um ihren abgemagerten Oberarm. So viel Blut. Wenn sie vielleicht noch neunzig Pfund wog, musste mindestens die Hälfte davon auf diese Laken ausgelaufen sein. »O Gott, steh mir bei!«
    Eves Gesicht war ruhig, und sie sah mit hochgezogenen Schultern auf ihre Hand hinab. »Es ist nicht tief genug.«
    »Ich muss telefonieren. Ich werde den Rettungsdienst rufen.«
    »Noch fünf Minuten, vielleicht hätte ich es schaffen können.«
    Ich rannte in die Küche, dann kehrte ich um, hob Eve aus dem Bett und schleppte sie mitsamt der Decke mit mir. In der Küche griff ich nach dem Telefon, aber Eve schlug mit ihrem Kopf gegen meine Schläfe. »Nein. Nicht.«
    »Ich hole den Arzt. Das muss genäht werden.«
    »Nein, Kerry, hör auf. Mir geht’s gut, und ich werde dieses
Haus nicht verlassen. Ich lasse nicht zu, dass mich irgendjemand so sieht.«
    Ich ließ mich mit ihr zusammen auf einen Stuhl sinken und sah unter die Decke. Die Wunde begann sich bereits zu schließen, nur an den Rändern sickerte noch langsam Blut heraus. Unbeholfen wiegte ich ihren skeletthaften Körper hin und her.
    »Mist, das brennt«, sagte sie.
    »Was machst du nur, Eve? Was soll das?«
    »Hör zu, du tust mir weh, ja? Ich passe nicht auf deinen Schoß, und …« Sie zerrte an dem Schal, der als Aderpresse diente. »Für wen hältst du dich eigentlich? Für Florence Nightingale? Bring mich einfach zurück ins Bett.«
    »Du findest wohl, das ist in Ordnung so und du kannst einfach tun, als wäre es gar nichts Besonderes, oder?«
    Eve zog eine Grimasse, ob aus Spott oder vor Schmerz, konnte ich nicht sagen. »Bring mich zurück«, sagte sie. »Bevor ich über diese tadellos versorgte Wunde kotze.«
    Ich hielt noch einen Moment lang ihren Blick fest, dann trug ich sie auf zitternden Beinen ins Bett zurück. Die Laken waren von Blut durchnässt, also setzte ich sie in den Rollstuhl und begann, das Bett frisch zu beziehen. Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Du wirst Justin nichts sagen.«
    »Ich weiß noch nicht, was ich tun werde.«
    »Ich sage dir, was du tun wirst. Du wirfst die Laken weg, hilfst mir, mich umzuziehen, und dann vergisst du einfach, was passiert ist.«
    Ich griff wieder nach dem Bettzeug und warf es auf einen Haufen auf den Boden.
    »Also was?«, fragte Eve. »Ich werde es nicht noch einmal tun, wenn es das ist, wovor du Angst hast. Es hat nur so schlimm
wehgetan, und ein paar Minuten lang war es eine Erleichterung, eine Möglichkeit, den Schmerz auszuschalten. Aber das hier ist noch schlimmer. Es fühlt sich an, als würde jemand mit einem heißen Eisen Falten aus meinen Armen bügeln.«
    Ich setzte mich auf die Matratze. »Ich weiß einfach nicht, was ich für dich tun kann«, sagte ich.
    »Ich will nicht sterben, Kerry, nicht wirklich, noch nicht. Manchmal hilft es mir einfach, ans Ende zu denken, dass Schluss sein könnte, wann ich es will.«
    Ich blickte auf meine narbigen Handgelenke hinab, und die Erinnerungen flossen durch mich hindurch wie ein Strom aus Glassplittern, mein Blut und Ryan Macleans Blut, und dann noch eine andere Art Blut, das meine Hände so nachhaltig befleckt hatte, dass ich es noch eine Woche später unter meinen Nägeln sah. Es war eher orange als rot und so bitter wie Galle, und obwohl es eigentlich für Eve gedacht war, hatte ich es später schließlich selbst getrunken. So viel Blut, zu viel für ein Leben. »Ich hab auch darüber nachgedacht«, sagte ich. »Ich meine, vielleicht nicht ernsthaft, aber ja, ich hab auch darüber nachgedacht. Mehr als einmal.«
    »Dann bist du eine Närrin.« Sie hob das Kinn. »Hör zu, ich will dir was sagen, Kerry. Seit letztem Winter denke ich ständig an all die Dinge, die ich nicht mehr tun werde. Manches davon ist albern: der letzte President’s Day, der letzte Frühling, in dem wir Fliegengitter anbringen. Aber dann gab es da auch meinen letzten Schnee, letzte Narzissen, Gillians letzten Geburtstag.«
    Ich legte mich auf die Matratze, rollte mich zusammen und schloss die Augen.
    »Ich bin ja kein großer Fan von Weihnachten, aber als mir klar wurde, dass ich es nie mehr erleben würde, dachte ich nur
noch an all die Weihnachten, die ich verpassen würde. Ich hätte Gillian, ihren Kindern

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