Auf ewig unvergessen
hatte ihr Büro in einem alten Lagerraum an der Rückseite des Gebäudes. Es gab keine Fenster, und das fluoreszierende künstliche Licht war unangenehm hell. Ein Kühlschrank war zwischen zwei brusthohe Aktenschränke gequetscht, und ein niedriger Tisch stand auf wackligen Beinen an eine beige Wand gelehnt. Auf dem Tisch stand eine Kaffeemaschine, vier Becher, eine Zuckerschale und eine braune Plastiktasse mit mehreren Päckchen Trockenmilch. Vier graue Metallschreibtische waren in der Mitte des Raumes zusammengestellt, Pinwände mit Bildern der Opfer und Hinweisen auf die Verbrechen hingen an zwei Wänden.
Nancy Gordon brütete über ihrem Bericht über den Fall Lake. Das flackernde Neonlicht bereitete ihr Kopfschmerzen. Sie schloss die Augen, lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Als sie wieder aufsah, blickte sie auf die Bilder von Samantha Reardon und Patricia Cross, die Turner an die Wand geheftet hatte. Die Bilder waren ihnen von den Ehemännern zur Verfügung gestellt worden. Samantha stand auf dem Deck eines Segelbootes; sie war eine große Frau, ihr Haar flatterte im Wind, und auf ihrem Gesicht stand ein glückliches Lächeln. Pats Bild war am Strand von Oahu aufgenommen, sie trug Shorts und ein Bikinioberteil und war sehr schlank, eigentlich fast zu dünn. Ihre Freunde behaupteten, sie sei zu sehr auf ihre Figur bedacht gewesen. Samantha Reardon war Krankenschwester gewesen, aber schon bald nach der Hochzeit hatte sie aufgehört zu arbeiten. Die anderen Frauen hatten keinen richtigen Beruf gelernt. Sie waren glückliche Hausfrauen, lebten in Luxus und verbrachten ihre Zeit mit Golf und Bridge. Ihre Vorstellung, etwas für die Gemeinschaft zu tun, bestand darin, Geld für wohltätige Zwecke bei irgendwelchen Veranstaltungen aufzutreiben. Wo waren diese Frauen jetzt? Waren sie tot? Waren sie schnell gestorben oder langsam, hatten sie gelitten? Wie hatten sie es ertragen? Wie viel von ihrer Würde hatten sie bewahren können?
Das Telefon klingelte. »Gordon«, meldete sich Nancy.
»Da ist ein Mr. Lake«, sagte der Diensthabende. Nancy straffte sich. Weniger als zweiundsiebzig Stunden waren seit ihrem Besuch am Tatort vergangen.
»Ich komme sofort«, erklärte Nancy und ließ ihren Stift auf den Stapel von Polizeiakten fallen.
Die Eingangstür der Polizeistation führte in einen kleinen Raum, in dem sich ein paar billige, mit Kunstleder überzogene und mit Armstützen aus Stahlrohr ausgestattete Stühle befanden. Der Eingangsbereich war vom Rest des Gebäudes durch einen Schalter mit Schiebefenster und einer elektronisch gesicherten Tür getrennt. Lake saß auf einem der Stühle. Er trug einen dunklen Anzug mit einer kastanienbraunen Krawatte, sein Haar war sorgfältig gekämmt. Einzig seine rotgeränderten Augen, die auf zu wenig Schlaf und zu viele Tränen hindeuteten, zeugten von seinem tragischen Schicksal. Nancy drückte den Knopf neben dem Schalter des Diensthabenden und öffnete die Tür.
»Ich war nicht sicher, ob Sie da sind«, erklärte Lake. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich einfach so hereinplatze, ohne vorher anzurufen.«
»Nein, absolut nicht. Kommen Sie weiter. Ich suche uns einen Platz, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«
Lake folgte Nancy einen Flur hinunter, der ihn an einen Schulkorridor erinnerte. Sie liefen über abgetretenes grünes Linoleum, das hie und da Buckel warf, vorbei an ungestrichenen braunen Holztüren. Placken grüner Farbe fielen von den Wänden. Nancy öffnete die Tür zu einem der Verhörräume und ließ Lake eintreten. Die Wände und die Decke waren mit weißen geräuschdämmenden Platten ausgekleidet.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Nancy und deutete auf einen der Plastikstühle, die auf beiden Seiten des langen Holztisches standen. »Ich besorge uns erstmal Kaffee. Wie trinken Sie ihn?«
»Schwarz«, erklärte Lake.
Als Nancy mit zwei Plastikbechern zurückkam, saß Lake mit den Händen im Schoß am Tisch.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte sie.
»Ich bin sehr müde und niedergeschlagen. Ich habe heute versucht zu arbeiten, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich muss immer an Melody denken.«
Lake verstummte und atmete tief durch. »Nun, die Sache sieht so aus: Ich bin nicht in der Lage zu arbeiten, und wie es aussieht, wird das auch noch eine Zeitlang so bleiben. Heute Morgen habe ich mich an eine Grundstückssache gemacht und... Es war mir alles so völlig egal.
Ich habe zwei Partner, die meine Kanzlei am Laufen halten, bis
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