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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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nicht, Mr. Stone zu fragen, was aus Mr. Schlaberndorf geworden ist«, hatte Mary noch von Neuilly aus Ruth Barlow gebeten, die inzwischen in Paris war. Der Graf war zu dieser Zeit mit Jane Christie liiert, die sich auch für Georg Forster interessiert hatte, und stand kurz vor der gemeinsamen Flucht in die Schweiz, als er am 6. September verhaftet wurde. Aufgrund des Erlasses gegen die Ausländer »und weil weder bekannt ist, mit welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt bestreitet, noch warum er sich in Paris aufhält«. Jane konnte nach England entkommen, wo sie jahrelang auf ihn gewartet hat. Vergeblich, obwohl der Graf mit dem Leben davonkam. Es heißt, daß man ihn einfach vergessen hatte. Als er nach siebzehnmonatiger Gefangenschaft entlassen wurde, zog er wieder in sein Pariser Hotelzimmer und lebte wie zuvor, »amtlos Staatsmann, heimatfremd Bürger, begütert arm«. Wie zuvor gab er sein Geld für wohltätige Zwecke weg, die Frauen liebten ihn, die Männer suchten das Gespräch mit ihm und schrieben hinterher auf, was er gesagt hatte.
    Mary hat Schlabrendorf im Gefängnis besucht. »Sie fesselte mich immer mehr. Erst als sie Paris verlassen hatte, ward ich mir bewußt, daß ich sie liebte. Ihr unglückliches Verhältnis mit Imlay verhinderte eine genauere Verbindung mit ihr.«
    Und weg bist Du
    Während ihrer etwa dreijährigen Beziehung sind Mary Wollstonecraft und Gilbert Imlay meist voneinander getrennt gewesen. Auch in den Zeiten, da sie eine Wohnung teilten, war er ständig unterwegs. Die Briefe, die sie ihm in dieser Zeit schrieb – seine sind verloren –, hat Godwin nach ihrem Tod als »wahren Roman« herausgegeben. Ohne »Marys Leiden« als weibliches Gegenstück zu »Werthers Leiden« wäre Imlay vergessen, so wie Lotte ohne Werther vergessen wäre.
    Ihre Liebe schmeichelte seiner Eitelkeit. Er sonnte sich in dem Bild, das sie von ihm hatte, und versuchte so zu sein, wie sie ihn glaubte. Betrüger setzen alles daran, die Lüge als Wahrheit erscheinen zu lassen. Aber er hielt Mary nicht aus. »Ihre Intelligenz brachte ihn zur Verzweiflung«, analysiert Virginia Woolf, die sich in einem großen Essay unverkennbar mit Mary identifiziert hat. »Immer wenn er sie sah, verfiel er ihrem Zauber, aber dann quälten ihn ihre Schnelligkeit, ihr Scharfsinn, ihr kompromißloser Idealismus. Sie konnte sogar seine Geschäfte führen. Bei ihr fand er keinen Frieden – er mußte wieder weg. Und dann folgten ihm ihre Briefe, die ihn mit ihrer Aufrichtigkeit und Einsicht quälten. Sie waren so deutlich, sie plädierten so leidenschaftlich dafür, daß er ihr die Wahrheit sagte; sie zeigten eine solche Verachtung für Seife und Alaun und Reichtum und Bequemlichkeit; sie wiederholten so aufrichtig, wie er argwöhnte, daß er es nur aussprechen mußte, und ›Du wirst nie wieder von mir hören‹, daß er es nicht ertragen konnte. Er hatte seine Angel nach Köderfischen ausgeworfen und einen Delphin angehakt, und diese Kreatur hetzte ihn durchs Wasser, bis er schwindlig war und nur noch entkommen wollte.«
    Allerdings glaube ich, daß es einer bequemeren Frau auch nicht, vielleicht noch weniger, gelungen wäre, Imlay für längere Zeit an sich zu binden. Mary und er spielten gewissermaßen in zwei verschiedenen Filmen. In seinem hatte sie nur eine Nebenrolle.
    Durch die kriegsbedingten Handelsblockaden der feindlichen Nationen gab es inzwischen in Frankreich empfindliche Versorgungsengpässe. Deshalb hatte das Land seine Häfen für den Handel mit neutralen Nationen geöffnet. Imlay war in dieses riskante und gewinnbringende Geschäft – Waffen, Getreide, Waren des täglichen Bedarfs gegen französische Luxusgüter – eingestiegen, zusammen mit Joel Barlow und anderen Partnern. Als logistic manager hatte er sich um die ordnungsgemäße Ladung und Löschung der Transporte zu kümmern und mit dem Zollamt und den Kapitänen zu verhandeln. Dazu mußte er vor Ort sein, in Le Havre de Grâce, das seit Anfang November 1793 Le Havre de Marat hieß. Wenn Mary sich deswegen beschwerte, vertröstete er sie auf die Zukunft in Bellefont. Um den amerikanischen Traum verwirklichen zu können, brauchten sie Geld, und das wollte er jetzt möglichst schnell verdienen.
    Sie wartete also, auf Imlays seltene Besuche und auf seine Briefe. Sie selbst schrieb ihm jeden Tag. Sie brauchte ihn jetzt mehr denn je. Im November wußte sie sicher, daß sie ein Kind von ihm erwartete.
 
    Freitagmorgen, September oder Oktober 1793.
    »Wie

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