Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
nachdem ich das geschrieben habe? – Ich weiß nicht weshalb, aber ich habe in Deiner Abwesenheit mehr Vertrauen in Deine Zuneigung als in Deiner Gegenwart; nein, ich denke, daß Du mich lieben mußt – laß es mich aufrichtigen Herzens aussprechen –, weil ich glaube, daß ich Deine Zärtlichkeit verdiene, weil ich wahrhaftig bin und eine Kraft der Empfindung habe, die Du wahrnehmen und genießen kannst.«
»Du scheinst Dich in Havre niedergelassen zu haben«, schrieb sie Ende Dezember. »Vergebung, mein Herr, wann gedenken Sie, nach Hause zurückzukehren? Oder, um es verständnisvoller auszudrücken: Wann werden es die Geschäfte gestatten? Sei nicht zu begierig darauf, Geld zu machen – denn nichts, was des Besitzes wert ist, kann käuflich erworben werden.«
»Ich hasse den Handel«, klagte sie Anfang Januar in einem verzweifelten und hellsichtigen Brief. »Du wirst sagen, daß es solcher Anstrengungen bedarf, aber ich bin ihrer müde. Der Zustand der öffentlichen und privaten Angelegenheiten quält mich. ›Friede‹ und Milde, die sich vor ein paar Tagen anzukündigen schienen, verschwinden wieder. ›Ich bin in schlimme Zeiten gefallen‹ [ 51 ] , wie Milton sagte, denn ich glaube wirklich, daß Europa mindestens ein halbes Jahrhundert lang in Aufruhr sein wird. Leben ist nur eine Geduldsarbeit, es rollt einen großen Stein immer wieder neu auf einen Hügel, denn bevor man einen ruhigen Ort finden und sich einbilden kann, eine Bleibe gefunden zu haben, kommt er wieder herunter, und die ganze Arbeit fängtvon vorne an. Wollte ich versuchen, noch mehr zu schreiben, würde ich in dieser Weise fortfahren. Mein Kopf schmerzt, und mein Herz ist schwer. Die Welt erscheint wie ein ungejäteter Garten, wo ›üppige und gemeine‹ [ 52 ] Dinge am besten gedeihen. Wenn Du nicht bald zurückkommst – oder wenigstens davon redest –, werde ich Deine Hausschuhe aus dem Fenster werfen und verschwunden sein – niemand weiß wohin.«
Nicht so einfach für eine unverheiratete Frau, die schwanger war und der man das inzwischen auch ansah.
»Als ich merkte, daß man mich musterte, sagte ich den guten Frauen, den zwei –-s, daß ich ein Kind erwarte – sollen sie mich ruhig anstarren, und – und –, egal, was kümmert es mich, wenn es die ganze Welt weiß – nur würde ich gern –-s rohe Witze vermeiden.
Wenn man bedenkt, welche Sorgen und Ängste eine Frau wegen eines Kindes haben muß, noch bevor es zur Welt kommt, so scheint mir, daß es ihr durch ein natürliches Recht angehört. Wenn Männer in die Welt eintauchen, scheinen sie alle Empfindungen zu verlieren, bis auf diejenigen, die man braucht, um sein Leben zu erhalten oder Leben hervorzubringen! – Sind das die Privilegien der Vernunft? Bei der gefiederten Rasse ist es so, daß der Gefährte bei der Henne bleibt, um sie aufzuheitern, während sie ihre Jungen warm hält; aber ein Mann muß sich nur dazu herablassen, ein Kind zu zeugen, um es für sich beanspruchen zu können. – Männer sind Tyrannen!
Du wirst mir jetzt vielleicht sagen, daß Du Dich mit einigen guten Kumpels in London vergnügen würdest, wenn ich nicht wäre. Mir würden gelegentliche gesellschaftliche Kontakte nicht genügen – ich würde ein so herzloses Leben nicht für erstrebenswert halten.«
Am nächsten Morgen fügte sie noch ein paar Sätze an.
»Ich war letzte Nacht sehr niedergeschlagen und willens, mit Deinem heiteren Naturell zu rechten, das Dir die Trennung leichterscheinen läßt. – Und warum sollte ich drum herum reden? Ich war verletzt, weil Du sie nicht einmal für erwähnenswert hieltest. – Ich will nicht wie eine Göttin geliebt werden; aber ich will, daß Du mich brauchst. Gott schütze Dich!«
Schließlich hielt Mary es nicht länger aus.
Dienstagmorgen, 21. Januar 1794.
»Ich ergreife diese Gelegenheit, um Dir mitzuteilen, daß ich am Donnerstag aufbreche, und hoffe, Dir bald (auf Deinen Lippen) sagen zu können, wie glücklich ich bin, Dich zu sehen. Ich habe gerade meinen Paß erhalten und sollte deshalb ohne Schwierigkeiten nach Havre kommen, um Dir am nächsten Freitag in meiner neuen Wohnung gute Nacht zu sagen – wo ich Dich und die Liebe treffen werde, die mich in den Schlaf lächeln sollen, trotz der Sorgen, denn ich habe seit unserer Trennung wenig Ruhe gefunden.
Du hast Dich mit Deiner Zärtlichkeit und Person kunstvoller an mein Herz geflochten, als ich es für möglich hielt. – Laß mich dem Gedanken nachgeben,
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