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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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all der Schönheit, mit all der Sanftheit, mit all der Zärtlichkeit und mit all der Stärke der Empfindung und Lebhaftigkeit des Geistes, die nötig ist, um unsere Umgangsformen zu glätten und uns im Schoß von Kultiviertheit und Liebe all unsere Kränkungen und Ärgernisse vergessen zu machen. Diese Zärtlichkeit gibt ihnen das Recht auf unseren Schutz und größte Fürsorge. Ist es gerecht, daß ein Mann eine geistreiche Frau ungestraft beleidigen kann? Ist es entschuldbar, daß ein Mann jeden Tag auf den Gefühlen zarter Frauen herumtrampeln kann? Welche Entschuldigung läßt sich für ein System finden, das Millionen von ihnen verurteilt, unter der Tyrannei der betrunkenen oder viehischen Launen von Männern zu leiden, oder sie zu einem Leben als Prostituierte zwingt, das ihnen sowohl Schande als auch gesundheitlichen Schaden bringt?« Was die Ehe angeht, so Imlay weiter, messen die Gesetze mit zweierlei Maß. Wenn Männer fremdgehen, zieht sie niemand zur Rechenschaft; verheiratete Frauen dagegen werden für außereheliche Beziehungen gesellschaftlich geächtet und, wenn diese Folgen haben, ins Elend gestürzt. »Man muß sich nur die zahlreichen Beispiele dieser Art ansehen, die britischen Gerichten zur Schande gereichen, und die Vorstellung muß einen schockieren, daß die aufgeklärteste Nation der Welt die unmenschlichste, barbarische Tyrannei über diese hilflosen Wesen ausübt, denen wir schon allein für unsere Existenz Dankbarkeit schulden und deren Schwäche unsere großzügigste Unterstützung verdient.«
    Hilflose Wesen! Die unsympathischste Figur in den Emigrants ist Carolines und Elizas Schwester Mary, die eben nicht hilflos ist, ihre Gesprächspartner rüde unterbricht und ihre zynische (oder pragmatische?) Weltsicht dezidiert ausspricht, wie ihre Namensschwester »in einem Ton, der erkennen läßt, daß sie sich im Recht fühlt«.
    Mary Wollstonecraft hätte gewarnt sein müssen – und sie war es, wußte aber, wie wenig das nutzte. »Liebe ist in einem hohen Maße eine launische Leidenschaft und regiert kraft ihrer eigenen Autorität, ohne Rekurs auf die Vernunft«, schreibt sie in der Vindication. Sie wußte auch, welche Männer gefährlich waren. »Frauen werden durch ungezwungene Umgangsformen erobert; ein Mann mit dem Auftreten eines Gentleman wird ihnen selten mißfallen, und ihre durstigen Ohren trinken gierig die einschmeichelnden Nichtigkeiten der Höflichkeit, während sie sich von den unverständlichen Lauten des Zauberers Vernunft abwenden.« … »Männer, die Witz und Phantasie haben, sind oft Lebemänner; und Phantasie ist die Nahrung der Liebe. Die Hälfte des weiblichen Geschlechts würde sich in dem unreifen, kindlichen Zustand, in dem es sich zur Zeit befindet, nach einem Lovelace [ 49 ] verzehren, einem Mann so witzig, so charmant und so männlich – und verdienen sie Tadel, wenn sie so handeln, wie man es ihnen eingeimpft hat? Sie wünschen sich einen Liebhaber und Beschützer; und sehen schon, wie er vor ihnen kniet – Tapferkeit, die sich der Schönheit unterwirft!«
    Imlay war der Lovelace Marys. Sie hat sich durch den revolutionären Anstrich seiner Ritterlichkeit nur zu gern täuschen lassen. Er war der Held aus dem Weste(r)n, umweht von Abenteuer und Freiheit, groß und schlaksig, mit »ungezähmtem Aussehen« und »kühnem Blick«, sicher und ungezwungen, zärtlich und leidenschaftlich. Von seiner kriminellen Vergangenheit hat Mary sicher nie etwas erfahren. Er wird seine Lebensgeschichte zur Odyssee eines idealistischen Sinn- und Glückssuchers umgedichtet haben, ähnlich, wie sie der Engländer Darnford Maria in The Wrongs of Woman erzählt. Als junger Mann sei er gedankenlos und verschwenderisch gewesen, beichtet er Maria, »doch indem er seine Fehler beschrieb, erschienen sie nur als der großzügige Leichtsinn eines edlen Gemüts«. Er sei mit großen Erwartungen ins Land der Freiheit gezogen, doch die Enttäuschungüber das real existierende Amerika mit seinem Puritanismus, seiner Prüderie, Kulturlosigkeit und dem alles beherrschenden Gewinnstreben habe ihn dann nach Europa zurückgetrieben.

    30  Coopers »Lederstrumpf« Daniel Boone,
nach dem sich Gilbert Imlay modellierte.
Ausschnitt aus einem Gemälde von
George Caleb Bingham.
    Wo Gilbert Imlay, der vor seinen Gläubigern geflohene Betrüger, für die Auswanderung in ein revolutionär erneuertes Amerika warb. Ich glaube, daß er und Mary ihre Liebesgeschichte nach dem Drehbuch der Emigrants

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