Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
geht es Dir? – Ich bin Dir in diesem trostlosen Wetter auf der Straße gefolgt, denn wenn ich von denen, die ich liebe, getrennt bin, ist meine Phantasie so lebhaft, als ob meine Sinne niemals ihre Gegenwart genossen hätten – ich wollte schon Zärtlichkeiten sagen – und warum eigentlich nicht? Ich habe herausgefunden, daß ich in einer Hinsicht mehr Gefühlsstärke habe als Du, weil ich viel länger als Du am gleichen Objekt Nahrung für die Liebe finden kann – der Weg zu meinen Sinnen führt durch mein Herz, aber verzeih mir, ich denke, daß es zu Deinem manchmal eine Abkürzung gibt.
Bei neundneunzig von hundert Männern ist nur ein ausreichender Schuß von Vernarrtheit nötig, um eine Frau piquante erscheinen zu lassen, ein sanfteres Wort für begehrenswert; und über diese gelegentlichen Aufwallungen hinaus suchen wenige von ihnen Genuß darin, daß sie eine Leidenschaft in ihrem Herzen nähren.
Ich weiß nicht, wie ich auf diese Überlegungen verfallen bin, außer daß ein Gedanke sie hervorgebracht hat – daß diese beständigen Trennungen nötig waren, um Deine Zuneigung anzufeuern. – Seit kurzem trennen wir uns dauernd – crack ! – crack ! – und weg bist Du. Dieser Witz ist von der Blässe des Gedankens angekränkelt, denn obwohl ich ganz heiter war, als ich anfing zu schreiben, haben einige melancholische Tränen den Weg in meine Augen gefunden, die dort noch verweilen, während im Herzen ein Aufglimmen von Zärtlichkeit flüstert, daß Du eines der besten Geschöpfe dieser Welt bist. – Verzeih also diese Grillen einer, die nicht nur ›fast verrückt vor Sorge‹, sondern auch ›unglücklich in der Liebe‹ war, und ertrage mich noch ein wenig länger!«
Sonntagnacht, November (?) 1793.
»Ich habe gerade Deinen Brief erhalten und das Gefühl, daß ich nicht ruhig zu Bett gehen kann, ohne Dir einige Worte geantwortet zu haben – Dir nur zu sagen, daß ich ruhig und heiter und liebend bin.
Seitdem Du neulich meine Disposition zum In-Ohnmacht-Fallen bemerkt hast, habe ich öfter ein leichtes Ziehen verspürt,was mich vermuten läßt, daß ich ein Wesen in mir nähre, das bald meine Fürsorge erfahren wird. – Dieser Gedanke hat in mir nicht nur überströmende Zärtlichkeit für Dich ausgelöst, sondern mir auch sehr deutlich gemacht, daß ich Ruhe finden und Bewegung haben muß, damit ich nicht ein Wesen vernichte, an dem wir gemeinsam Anteil nehmen werden, Du weißt schon. Gestern – lach nicht! –, als ich merkte, daß ich mich beim zu schnellen Heben eines Holzklotzes verletzt hatte, setzte ich mich ganz verzweifelt hin, bis ich das Ziehen wieder spürte.
Bist Du sehr beschäftigt?
Sei dem wie es sei, schreib mir, mein liebstes Lieb, und befiehl mir, geduldig zu sein – freundlich! –, und die freundlichen Worte werden mir die Zeit wieder vertreiben, so süß, wie sie es diese Nacht getan haben. – Sag mir auch immer wieder, daß Dein Glück (und Du verdienst, glücklich zu sein) eng mit meinem verknüpft ist, und ich will versuchen, die Dünste früherer Unzufriedenheit zu vertreiben, sobald sie aufsteigen – sie haben so oft den Sonnenschein, den Du in meinem Gemüt zu verbreiten suchtest, mit Wolken überzogen. Gott schütze Dich! Paß auf Dich auf, und erinnere Dich mit Zärtlichkeit an Deine Dich liebende
Mary«
Freitagmorgen, Dezember (?) 1793.
»Erinnerungen lassen jetzt mein Herz zu Dir springen; aber nicht zu Deinem Geldverdiener-Gesicht, obwohl mir eine Anstrengung nicht ernstlich mißfallen kann, die meine Achtung für Dich vermehrt oder vielmehr, die ich von Deinem Charakter hätte erwarten sollen. – Nein, ich habe Dein ehrliches Gesicht vor mir – in Zärtlichkeit gelöst, ein wenig, ein klein wenig verletzt durch meine Launen, und Deine liebeglänzenden Augen. – Deine Lippen fühlen sich dann weicher als weich an – und ich ruhe mit meiner Wange an Deiner und vergesse die ganze Welt. – Ich habe bei diesem Bild den Farbton der Liebe nicht vergessen – den rosigen Glanz; und diese Vorstellung hatihn jetzt, glaube ich, über meine eigenen Wangen gebreitet, denn ich fühle, wie sie brennen, während eine süße Träne in meinen Augen zittert – sie würde ganz Dir gehören, wenn nicht ein Gefühl der Dankbarkeit gegen den Vater der Natur, der mich das Glück so lebendig empfinden läßt, der geteilten Empfindung mehr Wärme geben würde – ich muß einen Moment Pause machen.
Muß ich Dir sagen, daß ich ruhig bin,
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