Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
dem Silberschiff, und dann gibt es andere Projekte und Spekulationen, schließlich arbeitet er ja für ihre gemeinsame Zukunft. Er schreibt ihr: »Unser Zusammensein hat Vorrang vor allen anderen Überlegungen.« Ihren Traum von Bellefont, vom Haus auf dem Land, hat er aufgegeben. In der Wildnis versauern? Inzwischen will er höher hinaus. Mary muß nur noch etwas Geduld haben, dann werden sie herrlich und in Freuden leben können. Er hat ihren Schwestern als Schwager in spe einen höflichen Brief geschrieben. Und er hat ihren Bruder James getroffen, der ihn gutaussehend und sympathisch findet.
Mary wollte, sie mußte glauben, daß er sie noch liebte, und vielleicht glaubte er das auch selber, jedenfalls manchmal. Doch seine Worte und seine Handlungen paßten nicht zusammen. Mary saß in der Falle eines Doublebind. Auf das Sicherheitsnetz gegenseitiger Verpflichtung, die Legalisierung ihrer Beziehung, hatte sie im Namen der Freiheit verzichtet.
»Warum hing sie so hartnäckig an dieser verhängnisvollen und unseligen Leidenschaft?« fragte Godwin und antwortete: »Weil es das Wesen der Liebe ist, sich nach Fortdauer zu sehnen.« Die romantische Definition einer lebensgefährlichen Krankheit.
Mary schreibt Briefe. Fanny sehe Imlay ähnlich, das heißt seinem liebenswürdigen Selbst, nicht seinem Geschäftsgesicht. Die Behauptung, daß Mann und Frau eine Einheit seien, die sie früher weit von sich gewiesen hat, scheint ihr nun plausibel. Sie hofft auf die völlige Entmachtung der Jakobiner. Madame Schweizer ist bei ihr zu Besuch, liest gerade die deutsche Übersetzung von Imlays Topographical Description , läßt dem Verfasser ausrichten, daß sie ihn für das, was er über (gegen) die Sklaverei sagt, liebe. Sie selbst hat einige Unannehmlichkeiten gehabt, mit denen sie ihn nicht belasten will. Fanny kostet sie viel Zeit und Kraft, aber sie findet sich für ihre Mühen reichlich belohnt, das Kind wächst ihr immer mehr ans Herz. »Wenn ich ohne sie ausgehe, tanzt ihre kleine Gestalt fortwährend vor meinen Augen.« Sie liest Imlays liebevolle Briefe wieder. Er ist ein wunderbarer Mensch. »In Zeiten der Trennung wäre es fast blasphemisch, auf den wirklichen oder eingebildeten Charakterschwächen zu verweilen.« Sie hofft inständig, daß er nach seiner Rückkehr nicht mehr so vollständig in Geschäften aufgehen werde wie in den letzten drei oder vier Monaten. Sie findet es angenehm, wenn Fanny an ihrer Brust saugt, aber noch glücklicher ist sie, wenn das Kind sie anlächelt oder gar vor Freude laut lacht, wenn es sie nach einer kurzen Trennung wiedersieht. Sie leidet darunter, daß sie finanziell von Imlay abhängig ist und sich mit Geldwünschen an einen seiner Pariser Geschäftspartner wenden muß, den sie nicht ausstehen kann. Sie lernt Claude Josephe Rouget de Lisle kennen, den Verfasser der Marseillaise , und ist halb verliebt in ihn, wie sie scherzt – »ein gutaussehender Mann, mit einem etwas zu breiten Gesicht, und er spielt sehr süß auf der Geige«.
Weihnachten erwartet sie Imlay ganz sicher, aber er bleibt wieder aus. Sie macht sich große Sorgen. Es hat Stürme gegeben, womöglich ist das Schiff gekentert? »Komm zu mir, mein liebster Freund, Gatte, Vater meines Kindes!« Fanny zahnt, sie liebt das Kind mehr, als sie es je für möglich gehalten hätte, es ist ihr einziger Trost. Daß die Geschäfte nicht gut laufen, tut ihr leid, sie glaubt allerdings, daß er sich zu stark von seinem Pariser Kompagnon beeinflussen läßt und in zu viele Unternehmungen verstrickt ist. Er hat nicht einmal mehr Zeit, ihr einen richtigen Brief zu schreiben. »Paß auf! Du scheinst in einen Strudel von Projekten und Plänen verstrickt, die Dich in einen Schlund ziehen, der, wenn er nicht Dein Glück verschlingt, unweigerlich meins zerstören wird.« Wenn er wieder bei ihr ist, werden sie vernünftig über alles reden müssen. Die Zukunft muß endlich beginnen. »Es erscheint mir absurd, ein Leben mit den Vorbereitungen für ein Leben zu verschwenden.«
Sie schreibt: How I hate this crooked business . Denkt sie an das Silberschiff? Der Handel, das ist ihr großer Rivale, gegen den sie verzweifelt und aussichtslos kämpft. Sie überlegt, wie sie sich und Fanny finanziell von Imlay unabhängig machen kann. »Du kennst meine Meinung. Ich habe immer gesagt, daß zwei Menschen, die zusammenleben wollen, nicht zu lange getrennt sein sollten. Wenn bestimmte Dinge Dir wichtiger sind als ich, dann suche sie zu
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