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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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erreichen – sag nur ein Wort, und Du wirst nie mehr von mir hören.« Bei der herrschenden Teuerung ist sie in akuter Geldnot. »Ich will mich nicht über unbedeutende Unannehmlichkeiten beklagen – doch ich will nur bemerken, daß ich, da ich Dich jede Woche erwarten mußte, keine Vorkehrungen treffen konnte, um mich mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Weil ich kein Holz habe, habe ich die heftigste Erkältung bekommen, die ich je hatte, und mein Kopf ist so zerstört von dem ständigen Husten, daß ich das Schreiben dauernd unterbrechen muß, um mich zu sammeln.«
    Sie gibt Imlay verloren. Sie muß ihrer Qual ein Ende machen.
    »Du sprichst von ›sicheren Aussichten und zukünftigem Wohlstand‹ – nicht für mich, denn meine Hoffnungen sind tot. Die Aufregungen des vergangenen Winters haben damit Schluß gemacht; nicht nur mein Herz ist gebrochen, auch meine Gesundheit ist zerstört«, schreibt sie ihm am 10. Februar in einem Fast-Abschiedsbrief. »Als Du Dich zuerst auf diese Projekte eingelassen hast, erwartetest Du einen Gewinn von tausend Pfund. Damit hätte man sich eine Farm in Amerika verschaffen können, die Unabhängigkeit bedeutet hätte. Jetzt fällt Dir auf, daß Du Dich selbst nicht kanntest und daß eine gewisse Stellung im Leben Dir notwendiger ist, als Du Dir vorgestellt hast – notwendiger als ein unverdorbenes Herz. Ein oder zwei Jahre magst Du Dich mit dem zerstreuen, was Du Vergnügungen nennst, Essen, Trinken und Frauen, aber in der Einsamkeit des abnehmenden Lebens wirst Du Dich mit Bedauern an mich erinnern – ich war dabei, ›mit Reue‹ zu schreiben, aber ich habe meiner Feder Einhalt geboten.
    Wenn ich lese [in The Emigrants ], was Du in bezug auf das Verlassen von Frauen geschrieben hast, habe ich mich oft gefragt, wie Theorie und Praxis so verschieden sein können, bis ich mich daran erinnerte, daß Empfindungen der Leidenschaftund Entschlüsse der Vernunft zwei ganz verschiedene Dinge sind.
    Dies ist eine solche Zeit der Barbarei und des Unglücks gewesen, daß ich nicht darüber klagen sollte, daran auch meinen Anteil zu haben. In einem Moment wünschte ich, ich hätte niemals von den Grausamkeiten gehört, die hier verübt wurden, und im nächsten beneide ich die Mütter, die mit ihren Kindern getötet worden sind. Ich habe doch gewiß im Leben genug gelitten, um nicht zu einer Neigung verflucht zu werden, die meine Lebenskraft vernichtet. Du wirst mich für verrückt halten: Ich wünschte, ich wäre es, damit ich mein Unglück vergessen könnte – so daß mein Kopf oder mein Herz ruhig wären –.«
    Dieser Brief scheint Imlay so beunruhigt zu haben, daß er ihr einen Rettungsring zuwarf. Ihre Ängste schob er auf Erschöpfung. Sie mache sich unnötige Sorgen. Einzig die Geschäfte hätten ihn von ihr ferngehalten. Er selbst könne auf keinen Fall aus London weg, aber sie solle doch mit Fanny zu ihm reisen: »Komm nur an irgendeinem Hafen an, und ich werde zu meinen lieben Mädchen eilen, mit einem Herzen, das ganz ihnen gehört.«
    Mary hatte Angst vor der Rückkehr nach England. »Warum ist es so nötig, daß ich zurückkehre? – Hier würde mein Mädchen freier aufwachsen«, klagte sie und bereitete die Abreise vor. In Le Havre – der Namenszusatz Marat war nach dessen schneller Depantheonisierung im Februar 1795 wieder gestrichen worden – mußte sie vorher noch ihre alte Wohnung ausräumen. Außerdem wollte sie Fanny abstillen. Ihr Zusammensein mit Imlay sollte durch keine Störungen getrübt werden.
 
    Ende März oder Anfang April verabschiedete sie sich von Archibald Hamilton Rowan, der ebenfalls kurz vor der Abreise stand. Sein Ziel war Amerika, wohin ihm seine Familie von England aus baldmöglichst folgen sollte. Weil alle amerikanischen Schiffe, die aus Frankreich kamen, streng von den Engländern kontrolliert wurden, wollte er von Le Havre aus unter falschem Namen und mit falschen Papieren – als amerikanischer Geschäftsmann Mr. Thomson – reisen. Für die Wartezeit bis zur Abfahrt des Schiffes bot Mary ihm Logis in ihrer leer geräumten Wohnung an. Er gab ihr einen Brief für Sarah mit, und eine Uhr für seinen ältesten Sohn, die auf der einen Seite die Stunden anzeigte und auf der anderen das Datum.
    Mary hatte gehofft, Rowan noch einmal in Le Havre treffen zu können, aber daraus wurde nichts. Mr. Thomson war unterwegs aufgehalten worden. Aus Sicherheitsgründen hatte er beschlossen, von Paris bis Rouen die Seine abwärts mit einem Boot

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