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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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zu fahren, das er aus der Hinterlassenschaft des Herzogs von Orléans ersteigert hatte. Am 17. April startete er mit Hund, Gepäck und allen erforderlichen Pässen und Papieren. Er war noch nicht weiter als bis zur Port-Royal-Brücke gelangt, als ein angetrunkener Sansculotte ihn entdeckte, schrie »ein Abgeordneter, der sich mit dem Gold der Nation davonmacht«, die Flinte auf ihn richtete, ihm am Ufer bis zum nächsten Landeplatz folgte und dort in seinem Eifer das Boot fast versenkt hätte. Rowan verlangte, zur Wache an der Zollschranke von Passy geführt zu werden. Inzwischen hatten sich etwa hundert Menschen um ihn versammelt, die drohend à la lanterne brüllten. Ein Offizier prüfte die Papiere und fand sie en règle , aber die Menge bestand weiter darauf, daß er »das Gold der Nation« stehlen wolle. Rowan forderte den Offizier auf, sein Gepäck zu untersuchen, der das ablehnte, weil das nicht in seine Zuständigkeit falle. Schließlich schlug jemand vor, den Gefangenen zum Bürgermeister von Passy zu bringen, was auch geschah, vorneweg der eifrige Sansculotte, der Rowan nicht losließ, hinter ihnen die aufgeregte Menge. Nach eingehender Prüfung der Papiere fand auch der Bürgermeister alles en règle . Den Verfolgern sagte er, sie sollten dem Gefangenen erlauben, die Reise fortzusetzen, rühmte aber zugleich ihren Eifer und ihre Wachsamkeit.
    Zu seiner grenzenlosen Verwunderung fand Rowan sein Boot genauso vor, wie er es verlassen hatte. Einige Flaschen Wein, ein kleiner silberner Becher, ein Gehstock mit goldenem Knauf, seinGepäck, alles war noch da. Die Menge, die ihn ohne viel Federlesens an die Laterne geknüpft hätte, hatte nichts von seinem Eigentum angerührt. Eine Frau riet ihm, möglichst schnell abzulegen, weil die Bürger unzufrieden über seine Freilassung seien und ihn am Weiterreisen hindern wollten. Das tat er denn auch, nur um wenig später ein zweites Mal aufgehalten, zum Bürgermeister von Passy geschleppt und wieder freigelassen zu werden.
    Das war genug. Rowan nahm den Landweg nach Le Havre. Als er dort ankam, war Mary schon abgereist. Sie ließ zwei Briefe für ihn zurück. Den ersten, kurzen hatte sie in Eile geschrieben, unmittelbar bevor ihr Schiff nach England ablegte. Für den zweiten hatte sie dann mehr Zeit. »Der ungeschickte Lotse ließ uns auf Grund laufen – so sind wir nun in einem leeren Haus, und da Herz und Phantasie auf dem Sprung sind, können Sie sich vorstellen, daß der langsame Gang der Zeit sehr schwer erträglich ist. – Ich zähle sozusagen das Ticken der Uhr – nur, daß es hier keine Uhr mehr gibt. In den letzten Tagen habe ich alles geordnet, nun ist alles fertig, und wir können fort. Wenn Sie noch hereinschauen würden, wäre ich glücklich, denn trotz meiner Ungeduld, einen Freund wiederzusehen, der all meine Zärtlichkeit verdient, habe ich noch einen Winkel im Herzen, wo ich Ihnen einen Platz einräumen will, wenn Sie nichts dagegen haben. – Es würde mich aufrichtig freuen, Sie irgendwann in der Zukunft wiederzusehen und Ihre Frau kennenzulernen. – Bitte passen Sie auf sich auf und lassen Sie nach Ihrer Ankunft von sich hören. Sie werden ein nicht sonderlich bequemes Haus vorfinden, aber ich habe in einem Wandschrank ein paar Vorräte zurückgelassen, und das Mädchen, das uns in der Küche geholfen hat und sehr gut bezahlt wurde, hat versprochen, alles für Sie zu tun.
    Ich mag Adieu weder sagen noch schreiben.
    Yours sincerely Mary Imlay.«
    Auf einen Speer gestützt
    In London wurde für Mary bald Gewißheit, was sie längst geahnt hatte. Imlay war ihr untreu. Er hatte ein Verhältnis mit einer Schauspielerin und war nicht willens, daran etwas zu ändern.
    »Man kann sich kaum eine Zeit ärgerer Pein und Kränkung vorstellen, als Mary sie nun in den nächsten sieben Wochen, vom sechzehnten April bis sechsten Juni, in dem möblierten Haus, das Imlay für sie gemietet hatte, durchleben mußte. Einer schwachen fast entschwundenen Hoffnung folgend war sie nach England, einem Lande, das ihr damals ›Widerwillen bis zum Entsetzen‹ einflößte, zurückgekehrt. Sie war dazu ermutigt worden durch den Eifer und die Ungeduld, mit denen Imlay ihre Ankunft zu erwarten schien. Sobald sie ihn aber wiedersah, fand sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
    Wie hatte sie sich die überströmende Freude des Wiedersehens nach langer, banger Trennung und Sorge ausgemalt! Tausend zärtliche Bilder drängten sich vor ihre Phantasie. Umsonst mag man

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