Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Schicksal zu entgehen. Mit einer hohen Bestechungssumme überredete er einen Wärter dazu, ihn in seine Wohnung zu begleiten, wo er angeblich Papiere zu unterzeichnen hatte und alles für die Flucht vorbereitet war. An einem aus Bettüchern gefertigten Seil ließ er sich aus dem Schlafzimmerfenster hinab, unten wartete ein Pferd, und an der Küste fand er ein Schiff, das ihn nach Frankreich brachte. Gleich nach der Landung wurde er als mutmaßlicher britischer Spion verhaftet, nach Paris gebracht und von Robespierre persönlich verhört, der ihn für unschuldig befand und seine Freilassung verfügte.
Rowan blieb vorläufig in Paris, wo er das Ende der jakobinischen Schreckensherrschaft miterlebte. »Zwei Tage nach der Exekution Robespierres wurde die gesamte Kommune von Paris, bestehend aus etwa 60 Personen, in weniger als anderthalb Stunden auf dem Platz der Revolution guillotiniert, und obwohl ich etwa hundert Schritte vom Ort der Hinrichtung entfernt stand, strömte das Blut der Opfer bis unter meine Füße«, schreibt er in seinen Erinnerungen. »Robespierre habe ich nicht zur Guillotine gehen sehen, aber man hat mir berichtet, daß die Menge sogar mit ihren Regenschirmen in den Wagen hineinschlug, in dem er transportiert wurde.«
Ganz vorbei war es mit den Jakobinern damit immer noch nicht, aber das Fest, das sie am 21. September inszenierten, konnte einem schon damals gespenstisch vorkommen. An diesem Tag nämlich wurde Mirabeau, der 1791, dreieinalb Jahre zuvor, als erster Nationalheld ins neugeschaffene Pantheon der Revolutionäre aufgenommen worden war, wieder herausgeworfen, »depantheonisiert«. Er galt inzwischen als Hochverräter. Während man seinen Sarg durch einen Seiteneingang wegschaffte, wurde der von Jean-Paul Marat feierlich in die Ruhmeshalle eingeführt. »Wie Jesus war Marat von brennender Liebe zum Volk erfüllt«, sagte ein Redner. »Wie Jesus haßte er Könige, Adlige, Priester, die Reichen, die Schurken, und wie Jesus kämpfte er beständig gegen diese Schädlinge der Gesellschaft.«
Wieder war Archibald Hamilton Rowan unter den Zuschauern, dem die neue Bekanntschaft, die er bei dieser Gelegenheit machte, weit interessanter schien als das Fest, »wovon es in diesem Land überreichlich gab«. »Mr. B., der mit mir da war, gesellte sich zu einer Dame, die Englisch sprach und der ein Dienstmädchen folgte, die ein kleines Kind auf dem Arm trug, das der Dame gehörte, wie ich herausfand. Ihre Umgangsformen waren gewinnend und ihre Unterhaltung geistreich, aber nicht unweiblich. B. flüsterte mir zu, daß sie die Autorin der Rights of Woman war. Ich war erstaunt. ›Was?‹ sagte ich mir, ›das ist Mrs. Mary Wollstonecraft, die mit einem Kind an den Fersen so ganz ohne Umstände herumstolziert, als wäre es eine Uhr, die sie gerade beim Juwelier gekauft hat? Soviel zu den Rechten der Frauen‹, dachte ich. Aber nach weiterem Fragen erfuhr ich, daß sie, sehr zu ihrem Glück, kurz vor dem Dekret, das die Inhaftierung aller britischen Untertanen verfügte, einen Amerikaner geheiratet hatte, der sich zu der Zeit in diesem Land befand. Meine Bekanntschaft, die bisher nur aus Männern bestanden hatte, war nun auf die angenehmste Weise vermehrt worden, und wann immer ich sie besuchte, bekam ich eine Tasse Tee und eine Stunde vernünftiger Unterhaltung.« Meist ging es um Herzensangelegenheiten.
Beide waren getrennt von den Menschen, die sie liebten. Mary schilderte ihm Imlay in leuchtenden Farben, Rowan schwärmte ihr von seiner Sarah vor. Er hatte seit seiner Flucht nichts von ihr gehört und fürchtete, daß sie ihn nicht mehr liebte, weil er sie vernachlässigt hatte. Oft sprachen sie »über Männer und Frauen und ihre wechselseitigen Pflichten«, und Marys Ansichten machten ihm bittere Stunden, wie er Sarah schrieb, nachdem er schon wieder liebevolle Briefe von ihr erhalten hatte. »Ohne es zu wissen und zu wollen, hat sie mir so manches Herzweh bereitet, weil sie darauf bestand, daß es auf der Welt keinen Grund dafür geben könne, daß ein Mann und eine Frau auch nur einen Moment weiter zusammenlebten, wenn die gegenseitige Liebe und Achtung entschwunden sei.« Womöglich dachte Sarah auch so? Mary versuchte ihn zu beruhigen. »Wenn ich ihr Dich richtig geschildert hätte, dann hätte ich, wie sie glaube, keinen Grund, mir Sorgen zu machen, denn wenn eine Person, die wir geliebt haben, abwesend sei, dann würden alle ihre Fehler viel geringer erscheinen und ihre Vorzüge viel
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