Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
oder Thereses Seite geschlagen, die Rivalität der beiden Frauen auf kuriose Weise imitierend und perpetuierend.
Therese kam von ihrem Ehe- und Liebesdrama nie mehr los. Noch zu Lebzeiten Forsters, nach der Flucht nach Neuchâtel, setzt ihr Entschuldigungs- und Rechtfertigungswerk ein, an dem sie in ihren Briefen, Biographien und Briefeditionen Hubers und Forsters und in Erzählungen und Romanen bis in ihre späten Jahre gearbeitet hat: »Viele der Geschichten bezeichnen Epochen in der Geschichte meiner Ehe.«
Endlich von Forster getrennt, mit Huber vereint und der Scheidung entgegenfiebernd, schreibt sie ihre erste Erzählung, die Abenteuer auf einer Reise nach Neu-Holland , in der sie den ungeliebten Ehemann unter dem Namen Rudolph in ein neues Leben und so weit fort wie möglich schickt: Neu-Holland war im 17. und 18. Jahrhundert der Name für Australien. Sie selbst bleibt als Reinette (kleine Königin) mit Berthold – Huber – zurück und empfängt gerührt Rudolphs wehmütige, aber liebevolle Briefe, die ihr mehr als nur die Absolution erteilen: »Memento mori, meine Reinette! denn denke ja nicht, daß es Klagen sind, wenn diese Bilder so in meiner Seele aufsteigen – wir sind ja darüber einig, meine Lieben, daß es noch eine Art von Glück und noch eine Art von Philosophie gibt –. Größer, umfassender, genügsamer kommt mir jetzt mein Geist vor.«
Aus weiblicher Perspektive erzählt ist ihr zweiter Roman, Die Familie Seldorf , der von Liebe in Zeiten der Revolution handelt und die Heldin Sara nach dem Vorbild der Amazone Théroigne de Méricourt modelliert. Sie wird die Geliebte eines hinreißenden französischen Grafen, kommt ins revolutionäre Paris, wo sie als Jakobinerin die Hinrichtung des Königs miterlebt (sie taucht ihr Taschentuch in sein Blut) und entdeckt, daß ihr Geliebter verheiratet ist, der auch noch aus Versehen das gemeinsame Kind umbringt, worauf sie sich in Männerkleider wirft und für eine Zeit den Revolutionstruppen anschließt … Ihr stärkster Affekt aber ist der physische Widerwille gegen ihren gutherzigen, naiven Jugendfreund Roger (fast ein Anagramm von Georg), als sie entdeckt, daß der sie nicht nur brüderlich liebt. Daß dieser Widerwille womöglich in Rogers Realitätsblindheit wurzeln könnte, wird am Ende des Romans deutlich. Nach langer Trennung sieht sie den »fröhlichen Phantasten« wieder. Sie ist eine unglückliche, gefallene, von Schuldgefühlen geplagte Frau, aber er träumt gleich wieder von einem gemeinsamen Leben und wirbt um sie. »Oh nie, nie, rief sie schaudernd – Dein reines Kinderherz neben mir, der von Geistern umringten?« Laut schluchzend sinkt Roger zu Saras Füßen. Ein Rezensent bemängelte befremdet, daß die Leserinnen um das obligatorische Happy-End betrogen wurden.
Vielleicht war Therese ihrem wahren Selbst mit Sara näher als mit all den anderen Heldinnen, in denen sie sich gespiegelt hat – immer wieder in Dreiecksgeschichten, immer wieder als schuldlos-schuldige Büßerin. Ein besonders verstörendes Beispiel ist die Erzählung mit dem Titel Das einsame Todbett , die Therese wohl um 1810 als »Nachtrag und Erklärung der Reise nach Neuholland« entworfen hat.
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Im Juni 1794 beschloß eine neu gebildete »Patriotische Kommission« die Ausweisung der Familie Huber aus der preußischen Enklave Neuchâtel. Bis 1798 lebten sie im nahe gelegenen Dorf Bôle von den Einkünften aus ihren publizistischen und literarischen Arbeiten. Therese, die soviel verdiente wie ihr Mann, veröffentlichte ihre Geschichten unter Hubers Namen, der die Schriftstellerei seiner Frau in einem Brief an den besorgten Schwiegervater zur Nebensache bagatellisierte: »Ihre Autorschaft! Ach, wenn ich Ihnen dieses Stück von Theresens Leben und Herzen so anschaulich machen könnte, Ihr Vaterherz müßte sehr dadurch erfreut werden, anstatt einen lächerlichen, unweiblichen Drang darin zu finden! Erstlich übersetzt sie mit, weil ich nicht mit aller Arbeit fertig werden kann, und dieser Gebrauch eines Teiles ihrer Zeit der ökonomisch einträglichste ist. Und was sie dann aus sich selbst so hinwirft, was sie nur in dem Augenblick beschäftigt, wo sie dabei ist, was sie für ein Hemd, ein Wams, eine Lektion mit den Kindern, für irgend ein anderes Geschäft bei der Kleinen mit tausend Freuden verläßt, was sie nur treibt, weil es sich von mir überarbeitet und aufgestutzt sehr einträglich gefunden hat, weil ich um Beiträge angegangen werde, die ich
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