Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
selbst ganz zu liefern weder Muße noch Stimmung habe, was sie auf die lächerlichste Weise treibt, wenn man denkt, daß es endlich etwas Gedrucktes gibt, und ein Gevatterbrief manche Frau mehr vom Hauswesen zerstreut und abruft, was so durchaus Chaos ist, daß nie gesagt werden könnte, so wie es gedruckt wird, sei es von ihr, kurz, was einem Autorwesen so ähnlich sieht wie das Feld zu pflügen der Haltung einer akademischen Rede – ihr das zum Verbrechen oder zum literarischen Ruhm anzurechnen, wäre wirklich gleich barbarisch.«
Daß Therese zum Schreiben – Übersetzungen, Theaterstücke, Erzählungen – überhaupt Zeit und Kraft gefunden hat, ist eine bewundernswerte Energieleistung. Sie war oft krank und dauernd schwanger. »Mein Körper ist ein Wartezimmer: Da ist immer ein Kind, das gerade ein- oder austritt«, heißt es in Dacia Marainis Roman Die stumme Herzogin . Und stirbt, hätte Therese hinzufügen müssen. Von den sechs Kindern, die sie mit Huber hatte, überlebten nur die Tochter Luise und der Sohn Victor-Aimé.
1798 ging die Familie zurück nach Deutschland, weil der Verleger Cotta Huber eine Stelle als Redakteur angeboten hatte. Bis 1803 lebten sie in Stuttgart, wo Huber die Redaktion der Allgemeinen Zeitung leitete. Dank der Fürsprache eines Freundes konnte er sich inzwischen mit dem Titel eines Gothaischen Legationsrates schmücken. Als das Blatt 1803 in Württemberg verboten wurde, zog man um ins damals noch bayrische Ulm. Im März 1804 wurde Huber zum Landesdirektionsrat bei der Schulbehörde ernannt (den Redakteursposten durfte er behalten). Die Rückkehr in die Gesellschaft schien geschafft. Doch am 24. Dezember des gleichen Jahres ist er mit nur vierzig Jahren gestorben. Der Autopsiebericht deutet auf Tuberkulose, Lungenentzündung und Lebernekrose als Ursache(n).
Durch eine Erbschaft und die Witwenpension war Therese finanziell abgesichert. Lange lebte sie in Stoffenried und Günzburg bei ihrer Tochter Claire, die mit dem Forstmeister Gottlieb von Greyerz verheiratet war, dann zog sie wieder nach Stuttgart. Cotta hatte auch ihr eine Stelle als Redakteurin angeboten. Von 1817 bis 1823 erschien das Morgenblatt für gebildete Stände unter ihrer Leitung, daneben setzte sie ihre Arbeit als Schriftstellerin fort, seit 1819 unter dem eigenen Namen. Gestorben ist sie 1829 im ungeliebten Augsburg, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbracht hat.
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Rede, daß ich dich sehe! Therese hatte ein unstillbares Bedürfnis, sich mitzuteilen. Scharfblickend und scharfzüngig – ein »satirischer Drachen« –, gefühlvoll, einfallsreich, temperamentvoll, witzig, anteilnehmend, interessiert, belesen, war sie ein gesuchter Gast, der jede Gesellschaft belebte und ihre Gesprächspartner beeindruckte. Ihre oft ellenlangen Briefe bewahren viel von dieser Unterhaltungsgabe. Der vielbändige Zeit-, Gesellschafts-und Familienroman, zu dem sie sich fügen, ist viel spannender als ihre Fiktionen.
Hier sehen wir sie in ihrer »unerschöpflichen Lebendigkeit«, im Umgang mit ihren ungezählten Bekannten und Freunden, im Kreise ihrer Familie, als Leserin, an allem interessiert, eine wache Beobachterin der politischen Ereignisse, die mehr als anderthalb Jahrzehnte durch Napoleon und seine Feldzüge bestimmt wurden. Wer wissen will, wie man in der fränkisch-schwäbischen Provinz nach 1800 lebte, kann mit ihr auf Zeitreise gehen. Sie lernt Jean Paul kennen, von dem sie ein boshaftes Porträt zeichnet, während er von ihr sehr angetan ist, Börne, der sich wundert, daß sie sich ihm gegenüber negativ über Juden äußert, und viele andere echte und Möchtegern-Größen. Sie trifft alte Weggenossen wieder. Meta Forkel, nun Liebeskind, die sie in Ansbach besucht, ist immer noch eine äußerst schlampige Hausfrau, wie sie feststellen muß, und Caroline, nun Schelling, bleibt ihr ein Dorn im Auge.
Im engsten Familienkreis treten die Schattenseiten ihres Charakters deutlich und mit zunehmendem Alter immer schärfer hervor. Wo sie ist, wird es früher oder später dramatisch. Ihre Kinder hatten es nicht leicht mit der brillanten, aber auch herrschsüchtigen und manipulativen Mutter, die sich in alles einmischte und obsessiv in ihren Neigungen und Aversionen war. In der Liebesbeziehung zwischen ihrer Lieblingstochter Luise und Emil, einem Sohn Herders, trat sie als eine Art Konkurrentin auf, mit fast katastrophalen Folgen. Ihre älteste Tochter Therese hat sie von sich weggestoßen und doch nie losgelassen. Das
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