Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Gängelband waren ihre langen, von mütterlicher Sorge erfüllten Briefe. Sie schickte die Sechzehnjährige zu Freunden in die Schweiz und hielt sie seitdem von sich fern, obwohl das arme Mädchen (das später als Gouvernante in Stellung ging) immer wieder darum bettelte, zu ihr zurückkommen zu dürfen. Erst in ihrer späten Lebenszeit, als sie Hilfe im Haushalt und Pflege brauchte, rang sie sich dazu durch, sie bei sich zu dulden. Es scheint, als habe sie Forster auch noch in Gestalt seiner Tochter unerträglich gefunden, die das doppelte Unglück hatte, von ihm zu sein und ihm auch noch ähnlich zu sehen.
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36 Therese Huber als ältere Frau.
Scherenschnitt von Luise Duttenhofer.
Nach der unglückseligen Vorgeschichte war Thereses Ehe mit Huber zum Gelingen verurteilt. Moralische Mißbilligung und die (ziemlich naive) Frage, die Forster-Biographen heute noch stellen – wie konnte sie einen Forster für einen Huber verlassen? –, saßen ihr gewissermaßen im Nacken, als sie nach Hubers Tod dessen Biographie verfaßte. Sie kommt einer Hagiographie ziemlich nahe. Wir sehen einen wunderbaren, seelenguten Menschen mit kleinen Fehlern und Schwächen, der ihr und den Kindern nach der Trennung von Forster edelmütig Schutz und Versorgung bot. Caroline nannte das Buch treffend ein »absonderliches Kunstwerk im Auslassen und Verschleiern«.
Schon 1806, nach der Veröffentlichung dieser Biographie, plante Therese auch eine Ausgabe von Forsters Briefen, doch erst mehr als zwei Jahrzehnte später hat sie dieses Vorhaben realisiert. Anfang 1829, kurz vor ihrem Tod, erschien Johann Georg Forster's Briefwechsel , dessen Texte sie kräftig und höchst tendenziös bearbeitet hatte (»zerschnitten, zerstückelt, verklebt, zerstreut«).Viele Briefe – und alle, die kompromittierend für sie gewesen wären – hatte sie zuvor vernichtet. Als Einleitung schickte sie seine Biographie voraus. Wieder ein »absonderliches Kunstwerk im Auslassen und Verschleiern«, aber doch ein sehr viel interessanteres, bedeutenderes als die Lebensbeschreibung Hubers. Das liegt natürlich an ihrem Modell.
Therese hat Forster für die Nachwelt gezeichnet. Sie, die ihn besser kannte als jeder andere, zeigte ihn mit seinen Schwächen, in all seiner Schwäche als einen Menschen, dem auf Erden nicht zu helfen war. Sich selbst entwarf sie als eine Frau, die keine Eigenschaften hat als die besten, tapfer, bescheiden, eine tüchtige Hausfrau, sich in alle Umstände fügend. Auch ihre Irrtümer zeugen von ihrem guten Herzen. Daß ihre Ehe mit Forster nicht glücklich war, macht sie deutlich, ebenso, an wem das lag.
Sie war der Überzeugung, daß Männer ganz Männer sein sollten (und Frauen ganz Frauen). »Die Eigenschaften, mit denen ich den Mann bezeichnen würde, sind Milde und Kraft, Geist und Selbstbeherrschung«, schrieb sie. Forster war in ihren Augen kein richtiger Mann. Der hätte ihr gezeigt, wer die Hosen anhat, er hätte die Meyers und Hubers aus dem Haus gejagt, er hätte seine Begierden gezügelt, er hätte gespart, er hätte –
Der amerikanische Romancier Richard Yates läßt eine seiner Figuren bemerken, daß sich die Unterscheidung zwischen starken und schwachen Menschen bei genauerer Untersuchung immer auflöst. Ob Forster, über dessen Charakterschwächen sich Familie, Freunde und viele Nachgeborene einig waren – »Monsieur Bovary« nannte ihn Ina Seidel in ihrem Forster-Roman Das Labyrinth –, ob er nicht tatsächlich zu stark für Therese war? Er ließ sich nicht von ihr beherrschen. Er ging seinen eigenen Weg und weigerte sich, die ihm zugewiesene Rolle zu spielen. Am Panzer seiner unerschütterlichen Liebe prallten alle Kugeln ab.
3
Am Donnerstag, dem 28. Januar 1796, beginnt vor dem Londoner Court of Kingsbench in Westminster der Prozeß gegen William Stone, der des Hochverrats angeklagt ist, gewissermaßen in Stellvertretung seines in Paris lebenden Bruders John Hurford. Als Beweismaterialien werden dessen abgefangene Briefe vorgelegt. Sie deuten auf konspirative Aktivitäten hin und sind vielfach unter Decknamen verfaßt. »Einige seiner Briefe sind mit Enots unterzeichnet, das ist Stone rückwärts buchstabiert«, schreibt Hester Lynch Piozzi, die das Verfahren mit Spannung in der Presse verfolgt – I am over head and ears in Mr. Stones Trial – und findet, daß Stone hängen sollte. Sie zweifelt keinen Augenblick daran, daß er und der Herr, den Helen einmal zu einem Besuch bei ihr mitbrachte, an
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