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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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klein und wohlgeformt. Seine Lippen waren verschnurrbartet, daß ich ihre Form nicht wahrnehmen konnte.« Sie sprachen zunächst über die Französische Revolution. Schlabrendorf erzählte von seiner Gefangenschaft. Er habe versucht, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, sagte er. Das Beste, was einem Mann damals widerfahren konnte, war, vergessen zu werden. Im größeren Teil des Gesprächs aber sei es um spekulativere Dinge gegangen, wie um Nationalcharaktere, Erziehung und den Unterschied der Geschlechter, berichtet Crabb Robinson weiter. »Die Maxime der Asketen – man muß die Sinnlichkeit abtöten – kommentierte der Graf mit der Bemerkung ›Das ist nicht wahr, wir müssen sie so lebendig erhalten wie jeden anderen Teil unseres Körpers, aber in Grenzen‹. Er zitierte eine Bemerkung von Mrs. Wollstonecraft, zu der eine Dame prahlerisch gesagt hatte: Moi, je n'ai pas de temperament. Sie antwortete: Tant pis, Madame, c'est un defaut de la nature. [ 61 ]  – Über Mrs. W. schien der Graf die richtigen Ansichten zu haben. Als Engländerin, sagte er, muß man sie nicht beurteilen. Sie meinte, daß die Keuschheit in der Treue bestehe, und sie hielt es für unkeusch, mit zwei Männern zur gleichen Zeit umzugehen.«
    * * *
    Ende 1801 heiratete William Godwin eine Frau mit zwei außerehelichen Kindern, die von ihm ein drittes erwartete. Sie nannte sich Mary Jane Clairmont und gab sich vor der Welt als Witwe aus. Erst in unseren Tagen hat man einiges Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit und die (französische) Herkunft und Vergangenheit von Mary Jane gebracht, zum Beispiel, daß Godwin sieam gleichen Tage an zwei verschiedenen Orten unter zwei verschiedenen Namen zur Frau nahm, einmal als Mary Clairmont, widow oft the parish , danach (für den Fall, daß diese Ehe wegen falscher Angaben für ungültig erklärt werden sollte) als Mary Vial of St Mary le Bone, spinster. Auch dafür freilich hatte Godwin falsche Angaben machen müssen.
    Von einem Tag zum anderen war er zum Oberhaupt einer Patchworkfamilie geworden. »Alle fünf Kinder waren unter acht. Charles Clairmont war der Halbbruder von Jane Clairmont, die die Halbschwester von William Godwin Junior war, der der Halbbruder von Mary Godwin war, die die Halbschwester von Fanny Imlay war. Vier der fünf hatten entweder Godwin oder Mary Jane als Elternteil, aber nicht zwei von ihnen hatten den gleichen Vater und die gleiche Mutter.« Man ahnt, welche Rivalitäten, Spannungen, Seelendramen diese Konstellation barg und daß Fanny, die fünfte, am schlechtesten dran war und die Rolle des Aschenputtels zugewiesen bekam.
    Die Notwendigkeit, für eine so große Familie sorgen zu müssen, bestimmte seitdem Godwins Leben. Geldprobleme verfolgten ihn »bis an den Rand des Grabes«, eine unendliche trübe Geschichte, die sein Biograph William St Clair detailliert nachgezeichnet hat. Eine auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisierte Verlagsbuchhandlung, die Godwin zusammen mit Mary Jane führte, sollte den Unterhalt sichern, sorgte aber nur für einen wachsenden Schuldenberg. Er schrieb immerfort, in fast allen Gattungen, von Kinderbüchern über Romane, Theaterstücke (die durchfielen), Biographien bis hin zu Abhandlungen über Bevölkerungspolitik. Den Erfolg der beiden Werke, die ihn berühmt gemacht hatten, Political Justice und Caleb Williams , konnte er nicht wiederholen.
    Und Mary Jane? »Für eine Frau« durchaus gebildet, wie es heißt, übersetzte sie Bücher aus dem Französischen und schrieb eigene Geschichten für Kinder, aber sie war eben keine Mary Wollstonecraft, »weder an Begabung noch an Charme«. Godwins Freunde mochte sie nicht. »Wenn Mary depressiv war, war MaryJane neurotisch«, meint selbst St Clair, der sich alle Mühe gibt, ihr Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Godwin habe sie allem Anschein nach aufrichtig geliebt und sei mit ihr alles in allem nicht unglücklich gewesen. Mit den beiden Mädchen, die er in die Ehe gebracht hatte, hatte sie, zurückhaltend ausgedrückt, keine glückliche Hand. Sie waren sehr verschieden.
    »Meine eigene Tochter ist sehr viel begabter, als das Kind, das ihre Mutter vorher hatte«, schrieb Godwin einmal. »Fanny, die älteste, ist von ruhiger, bescheidener, zurückhaltender Art, etwas zur Indolenz geneigt, was ihr größter Fehler ist, aber gelassen, beobachtend, begabt mit einem ungewöhnlich klaren und genauen Gedächtnis und von unabhängigem Gedankengang und selbständigem Urteil. Meine Tochter Mary

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