Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
König
Durch die hohe Dornenhecke, die Helen vor ihrem Privatleben aufgepflanzt hat, haben wir sie einige Male in Gesellschaft des verheirateten Mr. Stone sehen können. War er wirklich der einzige Mann in ihrem Leben? Was ist mit dem demokratischen französischen Liebhaber, den Anna Seward ihr prophezeit hatte?
Die Politiker, die in Helens Salon verkehrten, oft vor oder zwischen oder nach den Parlamentssitzungen, waren Männer in den besten Jahren, die meisten zwischen dreißig und fünfzig, aus guter Familie, gebildet, eloquent, attraktiv, ehrgeizig, leidenschaftlich vom Glauben an ihre Sache erfüllt. Die einmalige Chance, an der Veränderung der Welt mitzuwirken! Von einigen ihrer Gäste hat sie mit besonderer Sympathie gesprochen.
9 Henri Jean-Baptiste Grégoire
(Abbé Grégoire). Gemälde von
Pierre Joseph Célestin François, 1800.
Pierre-Victurnien Vergniaud, ein großer schlanker Mann mit seelenvollen Zügen, der bedeutendste Redner der Nationalversammlung. Abbé Grégoire, der die Erklärung der Menschenrechte um eine Déclaration du droit des gens – eine Erklärung der Rechte der Völker – ergänzen wollte. Jean-Paul Rabaut Saint-Étienne, ein reformierter Geistlicher aus Nîmes, dem die Entschlossenheit des Glaubensstreiters ins Gesicht geschrieben steht. Sein Amtsbruder, der heißblütige Marc-David Lasource. Jean-Baptiste Boyer-Fonfrède aus Bordeaux, ein erklärter Gegner der Sklaverei, obwohl (oder weil) sein Vater eine Zuckerrohrplantage auf Santo Domingo besaß. Er scheint Helen ziemlich nahe gestanden zu haben.
10 Jean-Paul Rabaut Saint-Étienne. Gemälde.
Von Jean Henri Bancal des Issards, einem Notar aus der Auvergne – »gutaussehend, einfach, ernst« – wissen wir, daß er Helen liebte. Vielleicht hatte er sie schon während seines Londonaufenthalts im Winter 1790/91 kennengelernt und war ihr dann in Paris bei Madame Roland wiederbegegnet, die seine erste große Liebe gewesen war, ihm aber nur eine vertraute Freundin sein wollte. Als Helen Bancal des Issards' Werbung abwies, wandte er sich hilfesuchend an Madame Roland. Sie redete ihm seine respektvollen Rückzugspläne aus und riet zu Beharrlichkeit: » M . W . hat Ihnen Wertschätzung, Interesse, Freundschaft und Sympathie geschenkt; verdienen Sie sich ihre Dankbarkeit und ihr Mitgefühl. Zeigen Sie ihr, daß Ihre heißen Wünsche nicht nur daher rühren, daß Sie davon überzeugt sind, durch ihre Hand glücklich werden zu können, sondern auch von der Hoffnung, sie glücklich machen zu können. Fangen Sie also an, ihr zu beweisen, daß Sie dessen fähig sind; haben Sie genug Macht über sich, ihr bester Freund sein zu können. Es wird unmöglich sein, daß ihr weiches Herz Sie nicht schließlich zum Gegenstand ihrer Neigung wählt.«
Ein edles Rezept! Ob es gewirkt hätte? Bancal des Issards hat es nicht ausprobieren können. Bald nachdem er im ParlamentMarat einen Verrückten genannt hatte, wurde er mit einem Spezialauftrag zur Armee geschickt und geriet in österreichische Gefangenschaft. Das rettete ihm ziemlich sicher das Leben. 1796, nach seiner Freilassung, hielt er noch einmal durch einen Mittelsmann um Helens Hand an und wurde wieder abgewiesen.
In Helens Souvenirs findet sich ein äußerst diskreter Hinweis auf seine Liebe zu ihr. Vor der Abstimmung über das Schicksal Ludwigs XVI . habe sie mit mehreren Abgeordneten gesprochen und sie zu überreden versucht, gegen die Todesstrafe zu stimmen, schreibt sie. Der einzige, der auf sie gehört habe, sei Bancal des Issards gewesen. »Ich erinnere mich an diesen kleinen Erfolg meiner Beredsamkeit immer mit einiger Freude.«
Umsturz
Die Jakobiner, ehemals ihre politischen Bundesgenossen, arbeiteten nun mit allen Mitteln an der Vernichtung der Girondisten. Inzwischen ging es für diese um mehr als nur das politische Überleben. Die Gefährlichkeit ihrer Lage hätten sie unterschätzt, meint Helen. »Die Deputation der illustren Gironde setzte sich aus jungen Abgeordneten zusammen. Im vollen Bewußtsein ihrer Rechtschaffenheit und von der Seelenstärke der Jugend erfüllt, schien es mir damals, als ob sie ihre Gegner zu sehr verachteten. Sie verließen die Sitzungen der Jakobiner zu schnell und überließen ihren Feinden das Feld. Das war ohne Zweifel ein Fehler, aber wie sollte man sich in solchen Augenblicken nicht täuschen?
Während des Winters 1793 pflegten mehrere Mitglieder der Girondisten ihre Abende in meinem Salon zu verbringen. Oft wurde das Gespräch
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