Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
zu führen, daß ihnen bei dem Frieden die Wiedervereinigung mit dem deutschen Reiche, wenn sie notwendig sein sollte, nicht nachteilig wird, und bei dieser Laufbahn zu wagen, was zu wagen ist, daß man mich verkenne, verschreie, für den Hauptdemagogen halte, und dergleichen mehr«. Zumal militärisch alles gut für die Franzosen zu laufen schien. Sie waren mittlerweile weiter nach Norden vorgerückt und hatten Frankfurt eingenommen.
Am 7. November trat Georg Forster dem Jakobinerklub bei. Zwei Tage später kam ein Brief von Voß, dem es gelungen war, das Darlehen für ihn zu besorgen. Forster erklärte zunächst seine Bereitschaft, es anzunehmen, unter der Bedingung, daß es ihn »nicht im geringsten zu irgend einer Verantwortlichkeit« für seine politischen Schritte und Grundsätze verbinde, schlug es dann aus, weil die Berliner Geldgeber von ihm erwarteten, daß er »ein guter Preuße bleiben möge«, bereute diese »übertriebene Delikatesse« schnell wieder und nahm das Geld doch, obwohl er sich inzwischen als französischer Bürger fühlte.
Der schnurrbärtige General Custine war hocherfreut, mit demWeltumsegler einen Prominenten auf seiner Seite zu haben, der noch dazu ausgezeichnet Französisch sprach. Am 19. November wurde Forster zum Vizepräsidenten der Allgemeinen Admininistration ernannt, die das neue französische département – die besetzten Gebiete am Rhein – vorläufig verwalten sollte. An einer Professur in Berlin, für die ihn der preußische Minister Hertzberg am gleichen Tag vorschlug, war Forster nicht mehr interessiert. Er wollte als Republikaner leben und sterben. »Es ist jetzt schlechterdings unmöglich, daß diese Seite des Rheins je zurückfallen könne an das deutsche Reich – Daß man doch nur einsehen möge, wie die Stimmung unserer Zeiten ist, wie von lange her die Schicksale dieses Augenblicks vorbereitet sind, wie es platterdings unmöglich ist, daß die morschen Dämme halten können, die man der Freiheitsüberschwemmung entgegensetzt! Es ist eine der entscheidenden Weltepochen, in welcher wir leben. Seit der Erscheinung des Christentums hat die Geschichte nichts ähnliches aufzuweisen. Dem Enthusiasmus der Freiheitseiferer kann nichts widerstehen – als etwa die in Stupidität versunkenen Verfassungen Asiens. Das ist alles so sonnenklar, daß es Tollheit und Blindheit wäre, noch daran zu zweifeln. Zwingt die Franken noch zu einem Feldzuge und die ganze europäische Welt wird in Einem Jahre frei! Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich nicht durch die glaubwürdigsten Berichte aus England benachrichtigt wäre, daß dort vielleicht in sechs Monaten die republikanische Revolution ausbrechen werde.«
So schwärmte er am 21. November. Elf Tage später wurde Frankfurt von hessischen Truppen zurückerobert. Die Franzosen mußten sich zurückziehen. Die Zukunft sah plötzlich düster aus. Es war zu erwarten, daß die Allierten versuchen würden, Mainz wieder von seinen Befreiern zu befreien, und nicht unwahrscheinlich, daß ihnen das gelingen würde. Die deutschen Jakobiner würden dann als Landesverräter nicht auf Schonung rechnen können, weder von den Siegern noch von ihren Mitbürgern, deren Enthusiasmus für die Heilsbotschaft der Revolution sehr zu wünschen übrigließ. »Die Aufopferung für ein Volk, das durchaus keinen Gebrauch davon macht, ist eine der alleraugenscheinlichsten Torheiten«, klagte Forster. Zurück konnte er nicht mehr.
Flucht
Jahrzehnte später schrieb Therese an den Schriftsteller Karl August Böttiger: »Wie die Revolution für uns Exaltierte die bürgerlichen Rücksichten aufhob, befolgte ich die große Moral auf Kosten der kleinen – trennte ein unwürdiges Verhältnis und setzte mich in den Stand, meine Kinder zu erziehen, mein Dasein zu retten.«
Nach der Frankfurter Katastrophe, dem »traurigen 2. Dezember«, scheint Therese in Panik geraten zu sein. Huber hatte Mainz verlassen, sie war von ihm getrennt, sie war mit Forster in der Stadt gefangen, womöglich auf unabsehbare Zeit. Sie sah ihre Chance, wollte nur noch weg, so schnell wie möglich, Forster mußte sie und die Kinder unbedingt abreisen lassen! Er zögerte. Zwar gab er zu, daß er von Therese das Opfer, mit ihm zu leben und zu sterben, nicht fordern könne und eine Trennung notwendig sei, fürchtete aber, daß ein solcher Schritt ihn das ohnehin nicht feste Zutrauen der Mainzer kosten und als Feigheit gedeutet werden würde. Es ging um seine Ehre. Hatten sie sich nicht
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