Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
beide erst kürzlich (wie lang das her war!) über diejenigen aufgeregt, die die Stadt fluchtartig verlassen hatten? Würde man nicht sagen, »wir sind verloren, denn Forster schickt seine Frau und Kinder schon fort; und er hat auch nur das Maul aufgerissen, wie die Andern, um uns im Stich zu lassen, jetzt, da es gilt?«. Allen Ernstes erwog er, seine Mitbürger vor ein Ultimatum zu stellen. Wenn sie sich nicht klar zu Frankreich bekannten, würde er selbst sich als französischer Bürger und Beamter betrachten, der ihnen keine Rechenschaft mehr schuldig sei, und Therese sogleich abreisen lassen. Falls es aber wider seine Vermutungdoch zu einer »Insurrektion der Freiheit« kommen sollte, dann werde er mit seiner Familie in Mainz bleiben.
Natürlich setzte sich Therese durch. Am 7. Dezember brach sie mit Röschen und Cläre nach Straßburg auf. »Sie kam im Haus eines entschiedenen Jakobiners unter, dessen verblühte Tochter als Freiheitsgöttin in Umzügen auftrat.« Einer Bekannten schrieb sie, sie sei zu diesem Schritt gedrängt worden, von dem Mann, den sie liebte, und von Freunden, die der Überzeugung gewesen seien, daß Forster ohne sie in seinem politischen Handeln freier sein werde.
Caroline Böhmer an ihren Vertrauten Meyer am 17. Dezember 1792:
»Therese ist nicht mehr hier. Sie ist mit den zwei Kindern nach Straßburg gegangen – warum – das fragen Sie mich nicht. Menschlichem Ansehn nach ist es der falscheste Schritt, den sie je getan hat, und der erste Schritt, den ich ohne Rückhalt mißbillige. Sie, die über jeden Flüchtling mit Heftigkeit geschimpft hat, die sich für die Sache mit Feuereifer interessierte, geht in einem Augenblick, wo jede Sicherheitsmaßregel Eindruck macht, und die jämmerliche Unentschiedenheit der Menge vermehrt – wo sie ihn mit Geschäften überhäuft zurückläßt – obendrein beladen mit der Sorge für die Wirtschaft – zwei Haushaltungen ihn bestreiten läßt, zu der Zeit wo alle Besoldungen zurück gehalten werden. Das fällt in die Augen. Er wollte auch nicht – ich weiß weder, welche geheimen Gründe sie hat, noch welche sie ihm geltend machte – sie hats aber durchgesetzt. Ich müßte mich sehr irren, wenn nicht diesmal weniger verzeihliche Antriebe als leidenschaftliche sie bestimmten, vielleicht die Begierde nach Wechsel, und eine Rolle dort zu spielen, wie sies hier nicht konnte. Viele vermuten Trennungspläne – Sie und ich gewiß nicht. Würde sie so gerecht sein? – Er ist der wunderbarste Mann – ich habe nie jemanden so geliebt, so bewundert und dann wieder so gering geschätzt. Er ging seinen politischen Weg durchaus allein und tat wohl daran – ihr Geist ist nicht für diese Sphäre, mehr tätig als würkend darin. Er geht mit einem Adel –einer Intelligenz – einer Bescheidenheit – einer Uneigennützigkeit – wär es nur das! aber im Hinterhalt lauscht Schwäche, Bedürfnis ihres Beifalls, elende Unterdrückung gerechter Forderungen – auffahrendes Durchsetzen geringerer. Er lebt von Attentionen und schmachtet nach Liebe, und kann diesen ewigen Kampf ertragen, und hat nicht die Stärke sich loszureißen, die man auch da, wo man Superiorität anerkennt, haben müßte, wenn es uns mit uns selbst entzweite. Dieses Mannes unglückliche Empfänglichkeit, und ihr ungroßmütiger Eigennutz verdammen ihn zu ewiger Qual. Ich habe wohl gedacht, ob man ihm die Augen öffnen könnte – es versteht sich, daß ich nicht mittelbar noch unmittelbar dazu beitragen darf und werde – ich habe gefunden, man würde seine Liebe töten können, aber seine Anhänglichkeit nicht. Spricht ihm das nicht sein Urteil? Sie beschäftigt, sie amüsiert ihn – das kann ihm kein Wesen ersetzen – darum ist sie einzig – sie reizt seine Eitelkeit, weil er sieht, daß sie auch andre beschäftigt, und daher nie erfährt, wie nachteilig die Urteile sind, die selbst diese von ihr fällen. Wer sie nicht mag, flieht sie – ein neuer Triumph! So hält sie ihn – geht hin, und nutzt seinen Namen, und führt ihn mit Stolz. Das ist nicht billig – ach und doch verdient ers. Guter Forster, geh und klag die Götter an.
Ich bleibe hier – man gewöhnt sich an alles, auch an die tägliche Aussicht einer Belagerung.«
Zopf ab!
»Mitbürger Mitbürgerinnen
Einwohner und Einwohnerinnen von Mainz!
Sonntags den 13ten Jenner um 2 Uhr Nachmittags pflanzen diejenigen Eurer Mitbürger, die der Freiheit und Gleichheit treu bleiben und für diese Kleinode
Weitere Kostenlose Bücher