Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Verhältnis abzubrechen, das seinen und Doras Lebensgenuß vergiften müsse, sobald es ihn nicht mehr würzen könne. Mein Ton muß ihn überzeugen, daß sein Verhältnis mit mir von keinem Zwange seiner Neigungen abhängt, und selbst mit Dora habe ich ihm die Möglichkeit einer künftigen Freundschaft nach Verfluß einer Zwischenzeit zu zeigen gesucht.«
Ein edelmütiger Vorsatz, mit dem Körner sich überschätzt hatte. Als Huber ihm antwortete – »und wenigstens offenherzig genug« –, daß er sich verändert fühle (»er habe geschwiegen, solange er die Folgen der Wahrheit nicht habe absehen können; aber verlangte Wahrheit könne er nicht vorenthalten«), schrieb er ihm »sehr kalt, daß er die Folgen des Schweigens noch weniger voraussehen konnte, und daß es nicht fein war, mehrere Jahre von Doras Leben seiner Weichlichkeit aufzuopfern«. Die Antwort Hubers darauf nannte er abgeschmackt. »Er findet daß nach meinen Äußerungen zwischen uns noch eine Erklärung nötig sei, hat aber jetzt nicht Zeit dazu, weil – die Franzosen in Speyer sind, und er mit dem Archive der Sächsischen Gesandtschaft von Mainz nach Frankfurt flüchten muß!!!«
Dresden war eben doch sehr weit weg von den Kriegsschauplätzen am Rhein.
An Einem Tische
Rette sich wer kann! Die Einnahme von Speyer am 29. September kostete über tausend Mainzer Soldaten das Leben, die zur Verteidigung eingesetzt worden waren, und versetzte die Regierung von Mainz »in die jämmerlichste Angst«. Es war klar, daß sie nicht genügend Truppen hatte, um die Stadt gegen die Feinde zu halten. Per Anschlag ließ sie politische Gespräche in den Wirtshäusern verbieten, was gegen den Vormarsch der Franzosen nicht helfen konnte.
»Sie werden kommen um von der Stadt Besitz zu nehmen«, schreibt Forster am 5. Oktober an seinen Verleger. »Gestern ist alles was laufen konnte, von hier geflüchtet; alle französische Emigrierte besonders die Frauenzimmer, zu Wagen, zu Pferd, zu Wasser, zu Fuß. Der Domschatz, die Archive, die Meublen aus dem kurfürstlichen Schloß, alles ist fort: alle Domherren haben ihre Sachen geflüchtet und alle Vornehme desgleichen. Der Kurfürst kam gestern selbst von Frankfurt um bei dem Einpacken gegenwärtig zu sein und um halb zehn Uhr Abends fuhr er wieder in aller Stille zum Tor hinaus, nachdem er die Wappen hatte von seinen Kutschen abkratzen lassen, um nicht erkannt (und aufgehalten?) zu werden.« Sogar die Gelder der Witwen- und Waisenkasse hatte er mitgenommen.
»Das panische Schrecken des Adels und der Pfaffen ist über allen Begriff. Vier Tage hat das Flüchten gewährt und fünfzehn Meilen in die Runde hat sichs verbreitet. In unserer ganzen Straße ist nur noch ein Haus außer dem meinigen, wo nicht Alles fortgelaufen wäre«, berichtet Forster am 9. Oktober dem Schwiegervater, der ihm ebenfalls dringend zur Flucht geraten hatte.
Am Morgen des 20. Oktober stieg er auf den Turm der St. Stephanskirche, von wo man das französische Lager übersehen konnte. Etwa 12 000 Soldaten, schätzte er. Weitere 20 000 Mann wurden erwartet. »Wir sind hier ganz ruhig. Wir können uns gegen die Schüsse wohl in Sicherheit setzen, und bei der Übergabe, die doch wahrscheinlich durch Kapitulation geschieht, haben wir nichts zu fürchten.« Vielleicht hatten sie – hatte er – sogar mehr zu hoffen, als zu fürchten?
Einen Tag später war es dann soweit. »Die Kapitulation ist gestern geschlossen worden, und heute Morgens werden die französischen Truppen einziehen. Den Einwohnern ist für Person und Eigentum vollkommene Sicherheit verheißen. Therese küßt Ihre Hand; sie ist nicht einen Augenblick bange, aber wohl gestern während der Ungewißheit ein wenig ungeduldig gewesen. Mehr oder weniger waren wir es Alle.«
Die Stadt war ein Meer vom Blau-Weiß-Rot der Trikoloren, Bänder und Kokarden, die sich viele Bürger zum Empfang der Franzosen vorsorglich beschafft hatten. Nach sechsmonatigem Feldzug und Kampieren im Freien waren die Soldaten äußerst verschmutzt und zerlumpt. »Aber es sind sehr viel schöne Leute darunter, und Alles hat den französischen Frohsinn und bonhomie im höchsten Grade. Offiziere und Gemeine sind wie Brüder, ein Herz und eine Seele, und essen in den Wirtshäusern an Einem Tische miteinander. Der General Custine ist ihnen ein Gott, bei dem sie schwören; er hat einen unglaublichen Grad von Liebe bei ihnen und darf ihnen mit unumschränkter Macht gebieten.«
Fast gleichzeitig mit den Franzosen
Weitere Kostenlose Bücher