Auf fremdem Land - Roman
Eingewöhnung in die neue Familienstruktur, wundersame Augenblicke der Bewusstwerdung des neuen Lebewesens, fordernd, aufdringlich, und hartnäckige Versuche, trotz allem wenigstens den Anschein eines normalen Lebens aufrechtzuerhalten: Treffen mit dem Tutor in der Universität, Lektüre von Büchern für seine Doktorarbeit, der Termin mit Herzl Weizmann, um die Bauarbeiten voranzutreiben. Bei der Zeremonie der neugeborenen Tochter, dem Segen nach dem Morgengebet am Schabbat, hatten Nechama und Chilik der Gemeinde erklärt: Jemima, die schöne Tochter Hiobs, der Ausdruck jamim-jamima , Jahr für Jahr, der die historische Verbindung und Verwurzelung zu den früheren Generationen bedeutet, die Wortbestandteile jam , was eigentlich Meer heißt, und mim , was auch majim gelesen werden kann und Wasser heißt, die sich darin wiederholen; und der zweite Teil des Namens – Me’ara – wegen der Höhle, des Orts, an dem sie beschlossen hatte, das Licht der Welt zu erblicken.
Chilik zeigte Herzl den Wohnwagen, und im Innersten seines Herzens verstand er nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte, weshalb er sich Otniels Druck gebeugt hatte. Bei aller Achtung vor jüdischer Arbeit, er gedachte keine Villa zu bauen, alles in allem eine schlichte Erweiterung um einen halben Container, der jeden Tag eintreffen müsste, eine simple Arbeit, die Kamal in ein paar Tagen und für ein paar Groschen erledigt hätte. Und jetzt redete dieser Herzl Weizmann, nachdem er sein Kommen ein ums andere Mal verschoben hatte, mit ihm von Ideen, die viel zu kompliziert klangen und viel zu teuer kämen – an Material, professionellen Handwerkern und Arbeitszeit. Warum hatte er Otniel nachgegeben? Was kümmerte es ihn, wenn ein Palästinenser aus dem Nachbardorf ein bisschen Arbeit erhielt und ein paar Schekel verdiente? Kamal war kein Terrorist, er war ein guter Junge. Solche gab es dort auch, und sie waren in den letzten Jahren wirklich geschädigt worden. Gestern hatte er mit Roni geredet. Er hatte durchaus keine Unterstützung der Geschäftsinitiative mit dem Olivenöl von Roni und Mussa geäußert – noch ein guter Mann, soweit ihm bekannt war, obwohl er auf die Planierraupe gesprungen war –, doch im Stillen gestand er sich ein, dass er manchmal mit Roni übereinstimmte. Herzl Weizmann aus Mevasseret bei Jerusalem machte einen netten Eindruck, doch wer wusste, wie er seine Arbeit machte, was seine Ideen taugten und wie viel Zeit und Geld sie kosteten. Was Chilik letzten Endes wollte, war ein bisschen mehr Platz, um die Beine auszustrecken, und dass die Kinder nicht völlig zusammengepfercht aufwachsen würden.
Am augenfälligsten an Herzl Weizmann, mehr als die schwarzen Locken, die farblosen Wimpern und der seltsame Blick, mehr als die schweren Schuhe, bei denen Chilik den Verdacht hegte, dass sie innen erhöht waren, um seinen kleinen Wuchs zu kompensieren, waren seine eingegipsten Arme. Zwei Gipsröhren, längst nicht mehr weiß, von der Handwurzel bis zum Ellbogen, in gleicher Länge. Herzl Weizmann sah Chiliks Blick und sagte: »Das ist nichts, keine Sorge, das stört nicht. Ein Unfall.« Er ließ sich nicht weiter aus, sondern wechselte das Thema. »Vergiss den Container, komm, wir holen Holzplatten von den Kameraden unten« – er deutete aus dem Küchenfenster in die Richtung von »Gabis Zimmer« –, »und wir machen dir eine wunderschöne Erweiterung.«
»Wer hat gesagt, dass er genug hat, um mir welche zu geben? Sein ganzes Zimmer hat ungefähr die Größe von dem, was ich plane.«
»Dann fragen wir. Und wenn es nicht reicht, bestellen wir bei seinem Lieferanten. Oder ich kann’s dir von meinem Schreiner organisieren. Kein Problem.« Er kniff die Augen zusammen und warf einen Rundblick über die Siedlung.
Jemima-Me’ara war inzwischen eingeschlafen. Chilik legte sie in die Wiege und ging mit Herzl zu Gabis Zimmer hinunter, um wegen der Holzbretter nachzufragen. Es stellte sich heraus, dass sie von der Schreinerei in Ma’aleh Chermesch stammten, zu einem Preis, den Herzl als »nicht schlecht, gar nicht schlecht im Verhältnis« bezeichnete. Anschließend kehrten sie zu Chiliks Wohnwagen zurück. »Hoppla, da ist den Beduinen ein Kamel davongelaufen«, bemerkte Herzl unterwegs.
»Welche Beduinen?«, sagte Chilik. »Das ist eine Stute. Die Kamelstute von Sasson.«
Als sie den Wohnwagen erreicht hatten und mit einem Nescafé im Wohnzimmer saßen, erkundigte sich Herzl: »Sag mal, Chilik, wie heißt der Junge im Zimmer? Er
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