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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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besser als ein Starker, und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte gewinnt; er erinnerte sich an Josef, der sein Verlangen besiegte; er wusste, dass der, der zu den Versuchungen der Welt neigte und seinen Trieb besiegte, kein geringerer Gerechter war als ein Gerechter, der solche Neigungen nicht besaß) –, dass er sich zu Gittit hingezogen fühlte. Nicht umsonst hatte er Scha’ulit vorgeschlagen, sie als Haushaltshilfe zu holen. Mit Freuden hätte er für den Vorzug gezahlt, sie bisweilen bei ihnen zu sehen. Nir betrat den Spielplatz und trat auf irgendein weiches Teil, das quietschte. Er erstarrte auf der Stelle. Gittit blieb stehen und drehte sich um. Die Brise frischte auf. Wo ging sie hin?, fragte er sich.
    Der Augenblick verstrich. Sie drehte sich wieder um und setzte ihren Weg fort. Er ließ die angehaltene Luft aus seiner Brust entweichen und hob ganz langsam den Fuß von der zerdrückten Plastikente, die zum großen Glück nicht erleichtert quietschte. Vom Spielplatz sah er sie gegen den Wind gehen, ihr langes Haar flatterte, ihr dunkles Kleid blähte sich. Der nächste Wohnwagen war der letzte vor dem Torposten. Der Wohnwagen der Armee. Von Joni. Und statt weiterzugehen, daran vorbeizugehen, bog sie auf den Pfad zu dem Wohnwagen ein. Hatte sie etwas gefunden, das Joni gehörte? Hatte ihr Vater sie gebeten, ihm eine Nachricht zu überbringen? Oder schickte ihre Mutter einen Kuchen? Nir ging in die Hocke. Ihm blieben noch achtundzwanzig Minuten bis zum Beginn seiner Wache.
    Gittit klopfte dreimal an die Tür des Wohnwagens, drehte sich um und begann, in Richtung der Spielplatzanlage zurückzugehen, in Richtung Nir! Er schaute sich um, suchte nach einem Versteck. Am Rande des Spielplatzes stand eine kleine Holzhütte, in der die Arbeiter Werkzeug und Baumaterial aufbewahrten. Jonis Tür klappte, und seine dunkle Gestalt machte sich auf den Weg zum Spielplatz. Im gleichen Augenblick war ein gewaltiger Knall zu hören, und ein Hochzeitsfeuerwerk aus Charmisch explodierte am Himmel und schreckte den Stützpunkt auf. Nir fasste sich und nutzte die Panik von Gittit und Joni, ihren schnellen Blick zum Himmel, das Gebell der Hunde, eilte zu der Hütte und ging hinein. Es war heiß im Innern, erstickend, ein strenger Geruch nach Sägespänen, Lacken, Ölfarben und Terpentin stand in der Luft. Er hoffte, dass sie ihn nicht gesehen oder gehört hatten, als er die Tür mit einer langsamen, leisen Griffdrehung schloss.
    Wo waren sie? Er hörte nur seine eigenen Atemzüge, das Klopfen seines Herzens, war konzentriert auf sein Unbehagen, auf die schreckliche Hitze in der Hütte, die während des Tages die Sonnenstrahlen gespeichert hatte, in der es kaum einen Luftspalt gab, er spürte, wie seine Drüsen Schweiß produzierten, auf der Stirn, in den Achselhöhlen, im unteren Rückenbereich (Scha’ulit würde am Morgen fragen, warum das Hemd dermaßen nass war und Terpentingeruch verströmte). Er presste ein Ohr an die Tür. Waren sie da?
    Ein Schlag an die Seitenwand, wenige Zentimeter rechts von ihm, ließ ihn hochschnellen. Er hörte Gemurmel, das er jedoch nicht zu entschlüsseln vermochte, und dann kicherte Gittit und flüsterte: »Spinner, sei ruhig.« Joni antwortete mit leiser Stimme, Nir gelang es nicht, Worte auszumachen, nur eine monotone Akzentmelodie. Sie sagte: »Nein, spinnst du? Nicht jetzt.« Ein weiteres kurzes, monotones Summen. Nir erwartete Gittits Antwort, doch es kam keine. Auf einmal hörte er ein bekanntes Geräusch, Lippen, die sich zusammenzogen und aufeinandertrafen, sich mit einem leisen Schmatzen lösten, Zähne, die sacht gegeneinanderschlugen, ein feuchtschlammiges Vakuum, das entstand und aufbrach, wenn sich Münder für einen Augenblick vereinten, beschleunigte Atemzüge, kleine, wirre, katzenhafte Laute. Nir lauschte begierig, presste ein Ohr an die Wand, gegen die sie sich lehnten, schwitzte aus allen Poren, schnaufte giftige Dämpfe ein, achtete jedoch nicht darauf, denn er war auf die Geräusche jenseits der dünnen Holzwand konzentriert: ein Teenager, die Tochter des rangältesten Bewohners der Siedlung, knutschte mit dem äthiopischen Soldaten. Das Bild erfüllte seinen Kopf, ließ seinen Atem schwerer gehen, erregte ihn und stieß ihn ab. Was denkt sie sich dabei, fragte er sich, wie kann sie es wagen?
    Noch ein monotones Gemurmel und sie, atemlos: »Nein, spinnst du?«, kicherte, und dann schlossen sich offenbar ihre Münder wieder aufeinander, denn Nir hörte

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