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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Rutschbahn vorbeiging, schrie sie: »Sagen Sie dem Präsidenten von Amerika, dass er keine Chance gegen uns hat, denn der König der Welt ist auf unserer Seite! Was verstehen er und die Amerikaner von der Selbstbehauptung des Volkes Israel gegenüber der ganzen arabischen Mörderbande? Wer hat Sie gebeten, hierherzukommen? Sie schwächen das Volk Israel, das nach zweitausend Jahren Exil und Verfolgung und Kriegen und Pogromen und Holocaust nach Erez-Israel zurückgekehrt ist! Sie zwingen uns, von hier wegzugehen? Die Wohnstatt des Herrn, das Land unserer Väter, und Sie wollen uns rauswerfen? Und das nennen Sie auch noch Frieden? Unverschämtheit!«
    »Jemand soll diesen Hund endlich zum Schweigen bringen!«, brüllte der Befehlshaber des Zentralkommandos. Als sich der Sicherheitsminister näherte, sammelte Neta Hirschson Speichel im Mund und spuckte in seine Richtung aus. Sie traf einen seiner Leibwächter. Der Minister sah es, sah, wie die Spucke auf dem Hemd des Sicherheitsmannes landete, drehte den Kopf nach Neta um, und über den kommenden Satz, den er aus dem Mundwinkel zischte – der von keiner Kamera und keinem Mikrophon eingefangen wurde, abgesehen von einem einzigen Wort, das außer Zweifel stand –, gingen die Meinungen auseinander, floss literweise Tinte, wurden in den folgenden Tagen und Wochen Berge von Wörtern und Interpretationen aufgetürmt; das war am Ende das Soundbyte, das in der ganzen Welt zitiert wurde, statt des Satzes, den er sich ausgedacht hatte.
    Neta Hirschsons Behauptung nach sagte der Sicherheitsminister zu ihr: »Unverschämte Barbarin, kusch! Sie und alle Ihre Bastardfreunde, kuschkusch!«
    Laut Aussage der Nahestehenden des Ministers sagte er: »Unverschämte Barbarin!«, wandte sich dann in die andere Richtung und sagte: »Kusch! Jemand soll endlich kuschkusch zu diesem Bastard sagen!«
    Und Beilin und Kondolisa sagten: »Wau wau wau!!! Wau wau wau!!!«, und bleckten die Zähne.
    Und da fiel bei Jakobi vom Verstärkungszug endlich der Groschen: die zusätzliche Zahnreihe! Der schielende Blick! Er war viel größer als der Welpe, dessen er sich vor über einem Jahr in den Straßen Hebrons angenommen hatte, den er mit dem Hummer, der nach Jerusalem fuhr, seines Weges geschickt hatte, doch er war es, kein Zweifel.
    »Allah sei mir gnädig!«, rief der Soldat. »Beilin habt ihr ihn genannt? Ich glaub’s nicht! Komm her, komm her, Liebling. Erinnerst du dich an mich? Das ist Jakobi, von der Basis in Hebron.« Und Beilin hörte zu bellen auf, wedelte mit dem Schwanz und trottete mit gesenktem Kopf und zitternder Schnauze auf Jakobi zu, kuschelte sich in seine Umarmung und überließ sich seinen Liebkosungen, und nach ihm Kondolisa, fröhlich und schwanzwedelnd, worauf sich der Tumult legte. Die Würdenträger bestiegen ihre Dienstwagen, die sich sofort in Bewegung setzten und Staub aufwirbelnd aus dem Stützpunkt davonfuhren, die Bewohner begannen sich in die Häuser zu zerstreuen, die Soldaten in die Militärlager und die Journalisten in die Redaktionen. Die Druckwellen des Bebens jedoch, das der Besuch des Ministers und die Affäre ausgelöst hatte, an die man sich später als die »Kuschkusch-Affäre« erinnern sollte – sie wurden in jenem Augenblick erst geboren und sollten für lange Zeit nicht verebben.
    Der Generalsanierer
    Herzl Weizmann traf am selben Nachmittag ein und sagte: »Was für ein Tohuwabohu bei euch, eh, Doktor?«
    Dunkelhaarig und dunkelhäutig war er, doch hatte er farblose, albinoartige Wimpern an einem Auge, was jedem seiner Blicke eine eigenartig geheimnisvolle Präsenz verlieh.
    Herzl fügte hinzu: »Trotz dem ganzen Aufruhr wollte ich vor dem neunten Av kommen, ich hab dich schon oft genug versetzt. Komm, werfen wir mal einen Blick darauf. Ju, was ein Schnuckelchen, wie heißt er?« Er streckte einen schwarzgeränderten Fingernagel nach der Nase des winzigen Babys aus, das Chilik auf dem Arm hielt.
    Chilik senkte den Blick auf seine zarte Tochter und lächelte sie unter seinem Schnurrbart an. Fast hatte er vergessen, dass sie dort war. »Sie. Jemima.« Er machte sich nicht die Mühe, ihren vollen Namen, Jemima-Me’ara, preiszugeben. Er hatte nicht die Energie, jetzt auf die Höhlengeschichte einzugehen. Seine Gedanken schweiften zu der Willkommenszeremonie für seine Tochter am Schabbat vor … wie viel Zeit war bereits vergangen, zwei Wochen? Drei? Nach der Geburt flossen die Tage und Nächte ineinander, ein süßer Strudel permanenter Müdigkeit,

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