Auf fremdem Land - Roman
Bewegung. Dem Herrn sei Dank, sie ächzte und quietschte noch nicht, wie sie es in einiger Zeit tun würde, wenn sich Rost und Dreck in ihren Scharnieren gesammelt hätten; noch war sie neu und geölt und kam gut mit dem Körpergewicht der erwachsenen Frau zurecht, die jetzt leise sagte: »Gibt es keine Liste von Namen?« Nir spitzte die Ohren. Was sagte sie da? Und dann: »Nein, ich schaue nicht nach. Ich mache, was ihr sagt zu mir. Nicht finden. Roni Kupfer nicht. Nicht sprechen mit Roni Kupfer, aber …«
Nir riss die Augen in der Dunkelheit auf. Spielten ihm die Biere und der Joint immer noch einen Streich? Was war heute Abend hier los? Er verschob seinen Körper langsam, löste sich von der Schuppenwand und spähte rasch zu der Frau hinüber. Natürlich hatte er ihre Stimme schon beim ersten Wort erkannt, doch er musste sich mit eigenen Augen überzeugen, und nun, im schwachen Licht der Sterne, auf der Schaukel schwingend, die zu klein für sie war, sah er Jenia Freud, die links das Seil hielt und rechts das Telefon ans Ohr geklemmt hatte. Warum sprach Jenia, am Spielplatz, in der Nacht, am Telefon über Roni Kupfer?
Sie redete leise weiter. »Nein. Vor der Minister kommt, höre ich nichts reden. Nachher er Kuschkusch gesagt hat, auch nicht. Jehu und Josh habe ich geschaut. Ja, ich weiß, ich sagen, sie können Problem machen. Aber gibt gar nichts. In Ordnung. In Ordnung, ich rede mit Roni Kupfer. Ja, mit Araber, aber ich sehe nichts dort. Ja. In Ordnung. Kupfer ich prüfen.«
Nir glitt mit seinem Rücken die Schuppenwand hinunter, bis er auf der trockenen Erde zu sitzen kam. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder, wandte den Blick und sah immer noch Jenia, die das Telefon in die Luft hielt und nachdenklich schaukelte. Die Welt erstarrte für eine halbe Minute, ein kühler Wind fuhr durch den Spielplatz und ließ Blätter rascheln, die Araber und ihre Feuerwerke waren zu Ehren des Augenblicks verstummt, sogar Kondi, die vorher gebellt hatte, blieb still. Und dann stieß Jenia ein paar Worte aus – einen russischen Fluch? –, erhob sich von der Schaukel, ging zu ihrem Haus auf der anderen Straßenseite und verschwand darin.
Nir blieb noch ein paar Minuten, schloss die Augen, mit dem Rücken an der Schuppenwand und dem Gesäß auf der Erde. Dann raffte er sich auf, kam auf die Füße und brach zu einer langsamen, stillen Runde auf der Ringstraße des Stützpunktes auf. Als Gabi Nechuschtan ihn ablöste, sagte er kaum ein Wort, nickte nur mit niedergeschlagenem Blick und ging davon. Gabi sah ihm erstaunt nach, streichelte seinen dürftigen Bart und stieg zum Wachturm hinauf, um tikun chazot , das Mitternachtsgebet, zu sprechen.
Der Angriff
Dovid, Experte für Altertümer und Antiquitäten und ein alteingesessener Siedler, den Otniel aus den ersten Tagen in Samaria und auch vom Reservedienst her kannte, war ein paar Tage, nachdem Debora Asis die Münzen in der Höhle gefunden und ihr Vater Otniel einen Abstecher gemacht hatte, um »einen Blick darauf zu werfen«, in der Siedlung eingetroffen. Dovid bestrich die Räume der Höhle mit einem Metalldetektor und fand alles in allem achtunddreißig Münzen. Seine ersten Schlussfolgerungen: Die Münzen waren in der Ecke des Raums offenbar dank eines Felshasen zum Vorschein gekommen, der dort gegraben hatte, weil er nach Wasser oder Nahrung suchte, jedoch Münzen gefunden hatte, dicht unter der sandigen Erde und dem weichen Kreidestein.
Seitdem hatte Otniel ihn etliche Mal eingeladen, doch Dovid hatte ihn mit allen möglichen Argumenten vertröstet, bis sich Otniel gezwungen sah, Jakir aufzufordern, »sein Internet zu prüfen«, um nachzuschauen, welche Information man über antike Münzen in dieser Gegend erhalten könnte.
In den archäologischen Archiven amerikanischer Universitäten herumzustöbern war eine spannende Herausforderung für Jakir. Und die Recherche lieferte ihm einen Vorwand, wach zu bleiben und mit Leuten in der amerikanischen Zeitzone zu chatten – wie er seinem Vater erklärte –, und so tat sich ein Zeitfenster auf, in dem er sich mit seinen Gefährten auf der Insel »Wiedererrichtung« vergnügen konnte. Da Sommerferien waren und es Otniel wichtig war, die Sache mit den Münzen zu untersuchen und sich nicht nur auf Dovid zu verlassen, verbrachte Jakir des Nachts viele Stunden ungestört vor dem Computer.
Am Ende gab Dovid dem Drängen nach und kam zu einem Besuch. Nach einem Schluck Tee und ein bisschen Plauderei über den
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