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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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und natürlich alle Kleinen waren schon eingeschlafen. Es war still im Haus, nur das sägende Schnarchen Otniels gab einen Rhythmus vor, flößte den in ihren Betten vergrabenen Hausbewohnern eine Art unterbewusste Sicherheit ein.
    Jakir loggte sich in Second Life ein und beeilte sich, seine Freunde auf der Insel »Wiedererrichtung« zu treffen und sich auf den neuesten Stand zu bringen. Die Spamattacke mit den Davidsternen hatte stürmische Reaktionen in der virtuellen Welt hervorgerufen: Demonstrationen arabischer Solidarität, die Errichtung neuer Moscheen, eine Eskalation antisemitischer Ausbrüche und sogar den Versuch eines Gegenangriffs in einer Synagoge, der fehlschlug. Reaktionen sickerten auch in die reale Welt durch, und das Bild mit den Dutzenden Davidsternen, die die Moschee überschwemmten, gelangte in Blogs und Webseiten, sogar ins Ynet. King Meir war glücklich. Er wollte zum nächsten Stadium übergehen: ein echter Terroranschlag. Jakir zog ein gefülltes Röllchen aus einer Keksschachtel und biss hinein, während er auf seine Gefährten wartete: Klaus, Menachem und ein neuer Teilnehmer mit Namen Harvey, der Jakir erzählt hatte, dass er ein Anhänger von Rabbi Kook sei, und natürlich Meir King selbst.
    Sie standen vor der Synagoge »Feuer der Wiedererrichtung«, mit zugespitzten Kinnbartenden und Uzis über den Schultern, King Meir in seinem »Kach«-Hemd, die anderen in Flanellhemden, unter denen himmelblaue Gebetsschalfransen hervorlugten, um immer an den Heiligen, gepriesen sei er, zu erinnern. King Meir rauchte eine virtuelle Zigarette.
    Sie teleportierten sich in die Stadt »Taste of Arabia«, wo sich Menschen drängten, Muslime, die gekommen waren, um Solidarität nach der Spamattacke zu demonstrieren, sowie einfach nur Neugierige und Gelangweilte, die von der Auseinandersetzung gehört hatten und kamen, um zu gaffen. Der Trupp der »Wiedererrichtung« betrat die große Moschee. Es begrüßte sie ein bärtiger Araber, der sie bat, die Schuhe auszuziehen. Sie ignorierten ihn und gingen hinein. Jakirs Herz klopfte. King Meir gab Order, und sie zogen die vorbereiteten Palästinafahnen heraus und verbrannten sie per Mausklick mit einem Flammenscript, das Jakir gratis heruntergeladen und vorher installiert hatte. Sie hielten die brennenden Fahnen, und im Nu kamen die Gestalten der Araber und ihrer Unterstützer, schrien wütend, sie sollten verschwinden, aufhören, Heiliges zu entweihen. Es gab zahlreiche Nicht-Araber, die Transparente trugen und mit zornigen Gesichtern brüllten. King Meir sprach zu Jakir. Er wollte die Moschee jetzt. Aber etwas war merkwürdig mit dem Computer. Der Ventilator hörte alle paar Sekunden zu arbeiten auf. Jakir beugte sich darüber und betrachtete den Computer. Er verstand nicht, was los war, das war ihm noch nie passiert. Stürz jetzt bloß nicht ab, flehte er schwitzend.
    Jakir tippte auf die Tasten und lud aus seiner Arbeitsdatei in Second Life die Moschee hoch, die er gebaut hatte – eine exakte Kopie der Moschee, in der sie noch vor einem Moment gewesen waren, die große Moschee in »Taste of Arabia«. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, als er an die Stunden dachte, die er am Computer gesessen und die schöne Moschee mit ihren Bögen und Farbornamenten gebaut hatte. Er platzierte sie, und schon standen die beiden Moscheen nebeneinander: die originale an ihrem Platz und daneben die Replik, die Jakir auf einem Sandkasten erbaut hatte – eine öffentliche Fläche, zur Nutzung erlaubt. Neugierige trafen ein, wollten sehen, was los war, warfen überraschte Blicke auf die zweite Moschee, jemand fragte, ob das ein Geschenk sei, eine Entschädigung für die Gewalt, ein Versuch, eine Brücke zwischen den Religionen zu schlagen. King Meir lachte. Er gab Jakir das Zeichen, und Jakir startete »Particles«, das Sprengprogramm, das er gekauft hatte, und programmierte es auf die Moschee.
    Der erste Knall zertrümmerte die Mauern. Das Feuer war beeindruckend. Die Geister entzündeten sich. Menschen schrien. King Meir schwenkte die Arme. Der Ventilator von Jakirs Computer strengte sich an. Jakir steckte eine Hand in die Keksschachtel und fand nur noch Krümel. Sein kleiner Bruder Schuv-El begann zu weinen, hörte jedoch sofort wieder auf und schlief weiter, anscheinend ein böser Traum. Auf dem Bildschirm lief der böse Traum der Araber und ihrer linken Freunde weiter. Die hohen Flammen erfüllten die Moschee. King Meir trieb Jakir an. Er lud noch ein Sprengprogramm, und

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