Auf fremdem Land - Roman
Eltern schauten einander an.
»Gib mir ein Lebensmittelgeschäft. Gib mir einen Autobus in die Stadt. Gib mir eine reguläre Krippe, einen regulären Kindergarten und eine Schule.«
»Gib mir eine Klimaanlage. Gib mir Steinwände. Gib mir warmes Wasser.«
Nachum blickte durch das Fliegennetzfenster hinaus zu dem Felsen von Nachal Chermesch und jenseits davon zu den Häusern der Siedlung Jeschua. Nicht jeder war für dieses Leben geschaffen. Sie hatten es von ganzem Herzen unterstützt, das Recht darauf und seine Verwirklichung. Aber von weitem: mit Demonstrationen, Petitionen, an der Wahlurne. Auf der Straße vor der Felskante flatterte die Zeitung weiter im Wind herum.
»Gib mir eine Bücherei. Frauenabende. Echte Feiertagsfestlichkeiten.«
»Gib mir ein Gemeindezentrum. Gib mir ein Schwimmbad.«
»Gib mir Kindervorstellungen. Gib mir Tanz- und Judozirkel.«
»Eine Babysitterin.«
»Ja, eine Babysitterin.«
Raja Gottlieb lächelte ihren Mann an. Sie wusste, das Geschäft würde keinen Erfolg haben. Sie war zweimal in der Woche im Laden, half bei den Büroarbeiten, wartete mit Nachum auf Kunden. Man hatte ihnen gesagt, dass sie von der Siedlung kommen würden, von Nachbarsiedlungen, von Jerusalem sogar. Der Prozentsatz an Brillenträgern in der religiösen Bevölkerung war doppelt so hoch wie in der Bevölkerung allgemein. Doch hier waren es wenige. Und sie hüteten ihr Geld, fuhren zu »Optik Halperin« im Malka-Einkaufszentrum. Man hatte ihnen von Lebensart, von Tausenden neuen Siedlern erzählt. Aber diese Regierung, diese Amerikaner … Raja ließ ihren Blick von Nachum zu der winzigen Küche gleiten.
»Gib mir eine normale Küche. Mit einem Ofen in normaler Größe. Einen Kühlschrank in normaler Größe.«
»Und einen normalen Fußboden?«
»Natürlich.« Raja betrachtet das fehlende Linoleumstück in ihrem Küchenboden. Der Kleber, der unter dem Linoleum gewesen war, hatte in den letzten Monaten Staub angezogen, Blätter, Spinnweben und Läuse. Hin und wieder wurde er lebendig. Raja hatte es bereits aufgeben, ihn zu säubern. Sie hatte sich an das Geräusch der klebenden Sohlen gewöhnt, die sich dann schmatzend lösten. Sie hatte das leere Rechteck, den schändlichen Hohlraum, als untrennbaren Teil ihrer Behausung akzeptiert. Vor wenigen Tagen erst hatte sich das Rätsel aufgeklärt: Sie hatte sich mit Scha’ulit Rivlin am Spielplatz unterhalten, und das Gespräch hatte sich hingezogen, die üblichen Themen, Kinder und Kindergärten, Stillen und Kochen, und als die Hitze anstieg und die beiden Schatten suchten, begannen sie, ihre Kinderwagen langsam vom Spielplatz zur Ringstraße zu schieben, und bei ihrem Wohnwagen lud Scha’ulit sie ein, sie setzten sich auf die Schaukelbank im Hof, und die großen Kinder spielten im Haus und klangen zufrieden.
Scha’ulit erzählte Raja nichts von der getrübten Beziehung zu ihrem Mann. Und Raja sagte zu Scha’ulit nichts von ihrer Verzweiflung über das Leben auf dem Hügel. Die beiden erfreuten sich an der Unterhaltung, stützten sich gegenseitig ohne große Worte, hörten einander einfach zu. Und dann, während des Stillens, brauchte Scha’ulit eine Windel und den Schnuller, und sie erklärte Raja, wo sie im Wohnwagen zu finden waren. Raja ging hinein und sah in der Küche ein grünes, eingeklebtes Linoleumrechteck, sauberer und neuer als das Linoleum ringsherum. Sie näherte sich, untersuchte es, maß mit Hilfe von Zeigefinger und Daumen die Länge und Breite, um es nachher zu Hause zu vergleichen, obwohl das gar nicht nötig war, denn für sie war sonnenklar, woher das Stück stammte.
Als sie mit dem Schnuller und der Windel herauskam, sagte sie kein Wort, doch zu Hause maß sie dennoch das fehlende Rechteck mit Zeigefinger und Daumen nach und erzählte es Nachum, der ungläubig dreinblickte und dann wütend wurde: »Ich gehe jetzt dorthin. Ich reiß es aus ihrem Boden. Ich werde diesem Toren zeigen …«
Doch Raja lächelte gleichmütig und erwiderte: »Lass es, Nachum, es spielt keine Rolle mehr.« Denn sie wusste bereits, dass sie in diesem Stützpunkt, in diesem Wohnwagen, in dieser Küche mit dem lückenhaften Boden nicht mehr lange bleiben würden.
Das Erbrechen
»Jakir!«
»Ja, Papa?«
»Tu mir einen Gefallen, such in deinem Internet, ob es irgendeine japanische Sekte oder Gruppe gibt, die …«
»Die was?«
»Die … ich weiß nicht. Ein Ganz-Erez-Israel unterstützt? Araber liebt? Ana aref , was weiß ich, irgendeine Vereinigung, die
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