Auf fremdem Land - Roman
irgendwas bei uns sucht …«
Jakir suchte. Es gab in Japan die christliche Makuya-Bewegung, die mochten Israel. Doch Otniel hatte schon einmal nette Touristen von der Makuya getroffen, und ihm schien nicht, dass diese Geschäftsleute irgendetwas mit ihnen zu tun hatten. Also suchte Jakir weiter: Es gab alle möglichen rechten, neo-faschistischen Bewegungen. Es gab einige Terrorgruppen. Es gab Organisationen, die gegen das herrschende System waren, gegen diese oder jene Minderheiten, einschließlich Arabern. Als er das Wort »Japaner« tippte und anschließend »Judäa und Samaria«, fand er, inmitten des Morasts, den Google dazu anbot, eine kurze Nachricht auf einer ihm unbekannten Webseite, auf der am oberen und unteren Rand Zahlen und grüne und rote graphische Linien durchliefen. Er zeigte die Nachricht seinem Vater, und Otniel kniff die Augen zusammen, fuhr mit einem dicken, schwieligen Finger, dessen Nagel von der Feldarbeit gelbbraun verfärbt war, über die kleinen flackernden Buchstaben und murmelte mit, während er las:
Die japanische Landwirtschaftsmaschinerie-Firma Matsumata dringt in den israelischen Olivenölmarkt ein.
Die japanische Firma Matsumata ( MATS im Dow Jones und im Nikkei) hat ihre Absicht bekanntgegeben, in den israelischen Olivenölmarkt einzusteigen. Der japanische Riese, der sich unter anderem mit Elektronikproduktion, Maschinenbau- und Landwirtschaftsautomatisierung befasst, ist kürzlich in den Sektor des Nahrungsmittelimports/-exports eingestiegen. Das Olivenöl erfreut sich im Kreis des Mittelstands und der Oberschicht in Japan, Korea und China großer Popularität. In diesen Ländern ist das Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise, für die Vorzüge biologischer Ernährung und die Effektivität von Olivenöl zur Verminderung von Cholesterin und bei Krebsbehandlung zunehmend gewachsen. Forschungsteams von Matsumata haben Olivenhaine in diversen Lagen im Becken des Mittelmeers untersucht. Die Mitarbeiter der Firma haben spezielles Interesse an palästinensischen Olivenhainen bekundet. Wie berichtet, haben die europäische Union und der japanische Fonds Jaiko einen speziellen Plan zur Unterstützung der palästinensischen Wirtschaft proklamiert, in dessen Rahmen den Investoren Steuererleichterungen und Finanzierung zu günstigen Konditionen gewährt werden. Dank des Plans werden die palästinensischen Oliven trotz der Sicherheitslage preiswerter als die europäischen sein. Darüber hinaus bedeutet Olivenöl aus dem Heiligen Land für die Millionen Christen in Ostasien …
Otniels Finger verließ den Bildschirm. »Das bringt meine Augen um«, sagte er zu seinem Sohn. »Wo wird Ma’aleh Chermesch erwähnt?«
»Ma’aleh Chermesch ist nicht erwähnt. Nur Judäa und Samaria.«
»Was ist dann der Zusammenhang mit uns?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es einen Zusammenhang gibt, du hast es gesagt. Es steht nur da, dass sie Oliven von Arabern in Judäa und Samaria suchen.«
»Antisemiten«, sagte Otniel. Das Telefon vibrierte in seiner Hosentasche, und er ging hinaus, um im Hof zu sprechen. Jakir überflog rasch den restlichen Bericht – die Wortkombinationen »technische Ausstattung«, »lokale Olivenpressen« und »Thunfischbüchsen« sprangen ihm ins Auge, doch die wirtschaftlichen Termini ermüdeten ihn. Er horchte mit schräg gelegtem Kopf, um sich zu vergewissern, dass sein Vater ins Gespräch vertieft war, und wechselte mit klopfendem Herzen zu Second Life .
Er betrat das virtuelle Lager der Insel »Wiedererrichtung«. King Meir stürzte sich auf ihn, hieß ihn willkommen. »Wo warst du, Held?«, fragte er und streckte die Hand zum Händedruck aus. Wenn es in Second Life möglich gewesen wäre, Empfindungen zu übermitteln, hätte Jakirs Händedruck auf King Meir schwach und schlaff gewirkt. »Du glaubst es nicht«, fuhr die bärtige Gestalt mit dem gelben Hemd fort, in den Textblasen zu reden, die über ihrem Kopf schwebten, »es gibt Krawall, Demonstrationen, sie wollen uns rausschmeißen. Ich glaube, dass die Betreiber von Second Life mich suchen.«
Jakir geriet in Stress. Suchen? Bald waren die Tage der Buße nach Rosch Haschana und der Tag des Gerichts, Jom Kippur, aber King Meir jubelte vor Glück, und die anderen waren erregt, sprachen von dem Boykott, den Flüchen, den pathetischen Reaktionen der Araber. Sie wollten weitermachen, Angst verbreiten, sprengen, ihnen zeigen, wer wir sind. Doch Jakir gelang es nicht, sich mitreißen zu lassen. Er war beunruhigt. Er
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