Auf fremdem Land - Roman
verschieben.«
»Okay«, sagte der Minister und streckte erneut zwei Finger nach den Begeles aus. »Nu, also, jemand hat sich einen Spaß erlaubt, haben Sie gesagt?«
»Und hat in Umlauf gesetzt, dass die Japaner von Matsumata irgendeine konspirative, terroristische Sekte sind, die Waffen an extremistische Juden in Stützpunkten liefert. Sie haben sogar den Namen von irgendeinem Jungen auf dem Hügel genannt, den sie allem Anschein nach im Stützpunkt besucht haben, um mit ihm einen Handel abzuschließen. So was in der Art.«
»Okay. Also hat irgendein Siedler eine unsinnige Geschichte herumerzählt. Und wie ist es dazu gekommen?« Er hob das japanische Fax hoch, das Malka ihm hingelegt hatte, und wedelte damit, halb um sich Kühlung zu verschaffen, halb wie ein demagogischer Redner.
»Wer diese Geschichte gehört hat, war unsere Informantin in der Siedlung. Sie hat sie uns hinterbracht. Und es gab irgendein Missverständnis, man hat die Geschichte nicht mit Matsumata in Verbindung gebracht, hat die Fäden nicht verknüpft, und wir haben eine Warnung rausgegeben, es gab irgendwie ein kleines Zusammentreffen von unseren Kameraden mit den Japanern.« Der Sicherheitsminister neigte den Kopf, stützte die Stirn in seine rechte Hand. »Und unsere Informantin wurde entlarvt«, fuhr Avram fort. »Das war eigentlich der Kern von dem ganzen Streich, denn man hatte sie im Verdacht und …« Avrams Stimme verebbte, verlor sich wie ein Spaziergänger immer weiter im dunklen Wald.
Der Minister hatte seine Haltung nicht verändert. Im Raum war es still. Das gedämpfte Klingeln eines Telefons war jenseits der Tür zu hören. Die letzten Tage waren nicht leicht gewesen. Am Wochenende war sein geliebter Hund, Army, nach langer Krankheit verschieden. Army lebte zwar bei seiner Geschiedenen, seiner ersten Frau, aber dennoch war es sehr schmerzlich. Heute Morgen hatte seine zweite Frau angerufen, um ihm zu erzählen, dass die beiden Kloschüsseln verstopft waren. Und die feuchte Hose bereitete ihm Unbehagen, ihm kam es so vor, als ob ihr ein schwacher Geruch nach Urin entströmte. Nicht deswegen jedoch sagte er, was er sagte, als er wieder zu reden anhob. Auch nicht wegen des Drucks, der Fragen, der Forderungen und Beschuldigungen, die aus allen Richtungen in der Sitzung des Außen- und Sicherheitsausschusses auf ihn eingestürzt waren, de facto täglich und stündlich auf ihn einprasselten, bei Sitzungen und Besprechungsterminen, bei Telefongesprächen und in der Presse. Auch nicht wegen der Straße 991, deren Baugenehmigung er gerade unterschrieben hatte, sozusagen als Geste an die Siedler und die Rechtsparteien oder weil es vielleicht einer ausgleichenden Aktion bedurfte, die die Kritiker besänftigen würde, eines kleinen Bonbons für die Amerikaner, die Linken und den Generalstaatsanwalt – schließlich war fast jede Amtshandlung dazu bestimmt auszugleichen, zu besänftigen, eine Geste für jemanden zu machen, der verletzt worden war …
Nein. Kein einziger dieser Gründe stand hinter dem Satz, der aus seinem Mund kam, sondern das Gesetz. Schlicht und ergreifend das Gesetz. Das Gesetz aus dem Gesetzbuch des Staates Israel und das internationale Recht, zu dessen Wahrung sich der Minister getreulich verpflichtet sah.
Er hob den Kopf, ließ seinen Blick über die Gefährten um den Tisch herum schweifen, legte das Fax auf der dunklen Mahagoniplatte ab, richtete es so aus, dass die Ränder exakt mit der Tischkante abschlossen, und dann sagte er: »Giora, räumen Sie diesen Stützpunkt. Diesmal ist es mir ernst. Ohne Spielchen. Ziehen Sie mir diesen Dorn aus dem Hintern. Er hat mir schon zu viel Zeit gestohlen. Viel zu viel.« Er reichte Malka das Fax, erhob sich und verließ den Raum.
Aasgeier
Der Abflug
Die Erkenntnis traf ihn am Abend vor Schavuot, dem Wochenfest. Er saß mit weißem Hemd im Speisesaal und fühlte sich lächerlich. Es gab Familien, die zusammensaßen, doch er wollte nicht bei Vater Jossi sitzen, er saß nie im Speisesaal mit ihm zusammen. Kinder sangen Erntefestlieder, und er kannte weder die Kinder noch die Lieder. Und Roni war in Tel Aviv, ließ es sich gut gehen, lebte in der Wohnung des Vaters seiner Freundin und züchtete Goldfische. Und arbeitete in irgendeinem Pub. Für Gabi klang das alles zwar nicht besonders verlockend, dennoch ärgerte es ihn, dass sein Bruder ihn nie aufforderte mitzukommen, wenn er ungefähr einmal im Monat zu Besuch kam. Auch hier lud ihn niemand ein, sich anzuschließen. Er
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