Auf fremdem Land - Roman
meinst du, wie er das Studium bezahlt hat und Teilhaber in dem Pub geworden ist? Nur kraft Arbeit und Energie?«
»Er ist Teilhaber in einem Pub geworden?«
»Wir haben eine hübsche Summe für ihn lockergemacht, und er hat sie in das Geschäft investiert. Ansonsten hätte er keine solche Geschäftspartnerschaft erhalten.«
»Aber was soll ich im Kibbuz sagen, woher hab ich auf einmal Geld, um ins Ausland zu fahren?«
»Sag, dass es ein Geschenk von deinem Onkel Jaron ist«, meinte Jaron.
Gabi schwieg, schaukelte in der Hängematte. Ausland. Wollte er das wirklich? Was würde er dort anfangen? War es das, was seine Eltern gewollt hätten, als sie ihm Geld hinterlassen hatten? Was war mit einem Studium an der Universität? Er hatte in letzter Zeit auch darüber nachgedacht, doch er hatte keine Ahnung, was er studieren sollte.
Onkel Jaron schien seine Gedanken zu lesen und sagte: » Jalla , fahr. Hör auf, dir den Kopf zu zermartern. Das ist genau das, was deine Eltern gewollt hätten. Und ich auch.«
»Bist du sicher?«
»Klar bin ich sicher. Ich höre Ascher im Kopf zu mir sagen, ich soll dir eine Ohrfeige geben, dir die Scheine in die Hand drücken und dich mit einem Tritt in den Hintern ins Flugzeug befördern. Ascher redet die ganze Zeit in meinem Kopf mit mir.«
»Bestell ihm Grüße«, erwiderte Gabi.
Eine Woche später saß er im Flugzeug.
Die Landung
Ihm war kalt. Neben ihm bat jemand die Stewardess um eine Decke, und er tat es ihm gleich, wickelte sich in den hauchdünnen Stoff, doch ihm war immer noch kalt. Er war voller Zweifel. Wofür brauchte er das? Wozu ließ er sich von diesem seltsamen metallischen Zylinder verschlucken, was suchte er? Was war schlecht für ihn an dem ruhigen Leben bei den Bananen, in seinem vertrauten, warmen Zimmer? Vielleicht wäre es besser, er würde auf die Universität gehen wie Roni? Vielleicht sollte er Roni entschiedener und mit mehr Vertrauen bitten, sich ihm anschließen zu dürfen, und versuchen, in Tel Aviv zu leben? Oder wenigstens darum bitten, einige Nächte in der dortigen Wohnung des Kibbuz schlafen zu können, um die Möglichkeiten zu sondieren, um zu sehen, was die Universität anzubieten hatte? Doch Gabi wusste, was angeboten wurde, er hatte das Jahresverzeichnis in der Kibbuzbücherei gelesen, Listen über Listen von Kursen, die ihm nichts sagten und nicht erklärten, welche Zukunft er damit hätte und was er mit sich selbst anfangen sollte, wenn er das Studium beendet hätte. Er zitterte unter der Decke, spähte in die Dunkelheit draußen und strich mit zaghaften Fingern über seine fremden, glatten Wangen, die er zu Ehren der Reise nach Monaten des Wildwuchses rasiert hatte.
Sie hatten sich schön von ihm verabschiedet: Onkel Jaron natürlich, der in den Kibbuz kam und ihn zum Ben-Gurion-Flughafen nach Tel Aviv brachte; Roni, der sich in Tel Aviv mit ihnen zu einem schnellen Essen in einem Café traf, ein bisschen im Stress, denn er konnte nicht mit zum Flughafen kommen; Vater Jossi, der erleichtert wirkte; seine Kameraden von den Bananen, die an seinem letzten Arbeitstag ein feierliches Mittagessen veranstalteten; und Jotam, der vorbeikam, fast eine Stunde bei ihm im Zimmer saß und vier Zigaretten rauchte in der Zeit, in der Gabi den Koffer für die Reise und den Rest des Zimmers für das Lager einpackte, und gar nicht mehr aufhörte, von Eres, seinem Cousin aus Menara, einem Kibbuz nahe der libanesischen Grenze, zu plappern, der im New Yorker Umzugsgeschäft arbeitete und zu dem Gabi gehen sollte, wenn er gelandet wäre, und während dieser Zeit auch gleich versuchte, die Hälfte der Dinge, die Gabi zurückließ, abzustauben.
Mit großen Augen betrachtete er das Menschenchaos eines großen amerikanischen Flughafens. Die tausend Richtungen, in die eine Million Menschen rannten. Den bunten Wirbel von Koffern, Kleidern, Haut. Menschliche Formen, die er bisher nur in Filmen und im Fernsehen gesehen hatte und jetzt zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht: asiatische Geschäftsleute mit abgeflachten Brillen, glatten Arbeitsmappen und schnurgeraden Anzügen; eine voluminöse afrikanische Mama in leuchtendem Gelb, das sie wie ein Brautschleier umwogte; amerikanische Polizisten, deren Gürtel vollgestopft war mit allerlei Köstlichkeiten wie Schlagstöcken, Pistolen, Handschellen und Notizbüchern, mit scharfen Schnurrbärten und feindseligen Augen; kleine Inder, große Schwarze, duftende Frauen, junge Männer mit verkehrt aufgesetzten Baseballkappen
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