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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Menschen im Stützpunkt. Gavriel Nechuschtan war im Namen aller beleidigt, und Neta Hirschson kochte vor Zorn, Jakir empfand einen Hauch von Mitleid für die hochgewachsene Frau, die böse manipuliert worden war, und Jehu verschwand wieder für einige Tage. Und Elazar Freud machte vor lauter Entsetzen und Schock tagelang gar nichts, war nicht fähig, seiner Frau in die Augen zu sehen. Nachdem sie jedoch unter Tränen, aber mit Nachdruck versuchte, von ihm zu erfahren, was geschehen würde, fiel er ihr um den Hals und schluchzte, ohne ein Wort zu sagen.
    Nachum Gottlieb wusste, dass bei dem kürzlich gelesenen Wochenabschnitt der Thora ki teze , wenn du ausziehst, die Rede davon war, in den Krieg zu ziehen, nicht von einem Auszug aus der Sklaverei oder einem Aufbruch von einem Ort zu einem anderen, doch in jenen heißen Tagen, als das Jahr selbst kurz vor seinem Auszug stand, konnte er nicht umhin, diese Zeile als einen Wink zu verstehen, eine Weisung von oben, dass er und Raja und ihre Kinder, Schimi und Tili, genau das tun mussten. Nachdem sie die Entscheidung getroffen hatten, informierten sie Rachel Asis, begannen die formalen Abwicklungsprozeduren des Optikgeschäfts in Ma’aleh Chermesch einzuleiten, teilten den Mietern ihrer Wohnung in Schiloh mit, dass sie zurückkehrten, meldeten die Kinder im Kindergarten an und so weiter und so fort. Nachum und Raja, seine Gefährtin, verspürten immense Erleichterung und begannen, ihren Nissan Winner mit Hab und Gut zu füllen, um alles nach und nach wieder in ihr früheres Leben zu überführen.
    Auch Jakir zog aus – aus Second Life , auf Nimmerwiederkehr, doch grübelte er weiter über die stürmischen Geschehnisse dort nach, über ihre Bedeutung und ihre Konsequenzen; seine Schwester Gittit begann, mit Jonis großzügiger Hilfe aus ihrer Unschuld auszuziehen, tastete sich in einem neuen, spannenden Dunkel vor, entdeckte ungekannte, wundersame Empfindungen und Gefühle; und Scha’ulit Rivlin, deprimiert von der düsteren Atmosphäre zu Hause, verzweifelt von der Unsensibilität und dem wachsenden Egoismus ihres Ehemanns Nir, dachte ebenfalls über die Möglichkeit nach, zu neuen Ufern aufzubrechen; ganz zu schweigen von dem Stützpunkt Ma’aleh Chermesch 3 selbst, seinen Menschen, Gewächsen und Bauten. Die Chancen dafür, dass der ganze Ort oder zumindest seine Bewohner den Auszug antreten mussten, erhöhten sich stetig, denn der gemäßigte, aber nachhaltige Druck seitens der Staatssekretärin und der Botschaft der Vereinigten Staaten war durchaus dazu angetan, am Ende eventuell den breiten Rücken des Sicherheitsministers zu brechen.
    Unterdessen, nachdem er vom Haus seines Bruders Gavriel ausgezogen war, schritt Roni aus, rollte den großen Koffer neben sich her und stellte im Kopf Berechnungen an, fragte sich, wohin er sich wenden sollte, und gab sich selbst die Antworten darauf. Vielleicht sollte er sich einen Platz am Hügel suchen, um seinen Kopf zu betten? Zum Beispiel in dem beinahe fertigen, aber noch nicht bezogenen »Zimmer« seines Bruders? Eine Decke im Mamelstein-Garten ausbreiten? Den Kopf auf die zerfledderte Wolle der Kamelstute von Sasson legen? Oder sollte er vielleicht überhaupt alles hinter sich lassen und hinunter in die Küstenebene fahren, die er seit Jahren nicht mehr aufgesucht hatte, mit ihren bunten Lichtern und der dichtgedrängten Bebauung, voll von Menschen?
    Nein und nein, nein und nein und nochmals nein – so lauteten die Antworten. Er ging weiter vor sich hin, von der Ringstraße hinaus nach Süden, schritt durch die Felder von Otniel Asis, stieg die Trassen hinunter und zwischen den Olivenbäumen Mussa Ibrahims wieder hinauf. Sein Geschäftspartner. Er würde sein Vertrauen in ihn setzen und ihn darum bitten, ihn bei sich aufzunehmen. Sollte es Gabi und seine Siedlerfreunde, die nicht fähig waren, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben, in der Luft zerreißen. Er war sogar bereit, in der Ölpresse zu übernachten, nahe den Oliven, dem großen Mahlstein, eingehüllt in den Geruch des Öls. Warum nicht? Wenn das sein neues Leben war, wenn das ab jetzt die Quelle seines Lebensunterhalts war, dann hatte er als ein echter Landarbeiter zu leben, der die Erde und ihre Frucht am eigenen Leib spürte.
    Er klopfte an Mussas Tür. Seine Frau öffnete, warf einen überraschten Blick auf den Koffer und sagte: » Ahlan , Roni.«
    Sie führte ihn hinein und servierte schwarzen Kaffee mit Kardamom. Mussa würde gleich kommen, versicherte sie.

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