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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Roni saß in dem einfachen Wohnzimmer und hätte sich gern mehr zu Hause gefühlt als bei seinem Bruder. Das würde noch kommen, versprach er sich. Und auf alle Fälle war ja nicht hier sein neues Zuhause, sondern in der Ölpresse.
    Mussa traf ein. Roni stand auf und lächelte. Sie schüttelten einander die Hände. Mussa betrachtete Ronis großen Koffer und hob dann lächelnd den Blick.
    »Bald ist der erste Regen«, sagte Roni, »oder? Spürst du es in den Knochen? Man sieht schon die Wolken. Man sieht, dass sie wollen, nicht?«
    »Setz dich, Roni, setz dich«, sagte Mussa. »Hast du Kaffee bekommen?«
    »Hab ich.«
    »Ja, bald kommt der Regen. Bald sind die Oliven reif. Das ganze Dorf wartet.«
    »Auch wir warten, Mussa, auch wir. Ich möchte schon mittendrin sein. Bei der Ernte, arbeiten, das Öl produzieren.«
    Mussa blickte ihn an. Roni schaute zurück.
    Nach einigen Sekunden Schweigen fragte Roni: »Was?«
    Und Mussa sagte: »Haben sie nicht mit dir geredet?«
    »Über was mit mir geredet?«
    Die Entscheidung
    Das Büro des Sicherheitsministers. Die Sitzung des Außen- und Sicherheitsausschusses war zu Ende, und nun machten sie mit einer eingeschränkten und kurzen Besprechung – wie sie zumindest hofften – weiter, der Minister, Malka, sein Assistent für Siedlungsangelegenheiten, Giora, der Befehlshaber des Zentralkommandos, und Avram, Chef der Abteilung zur Vereitelung staatlicher Unterminierung im Schabak, dem Nachrichtendienst. Der Ministerialamtsleiter ließ mitteilen, er käme in sieben Minuten.
    »Ja, Malka?«, sagte der Sicherheitsminister. Seine Augen waren rotgerändert von Schlafmangel, seine Nerven zerrüttet vom Außen- und Sicherheitsausschuss, in dem man ihn, wie üblich, von allen Seiten unter Beschuss genommen hatte: Ein Palästinenser, der versehentlich in Nablus getötet worden war, ein Zaunabschnitt, der an der Grenze zum Libanon durchbrochen worden war, der Abbau von Sperren auf irgendeiner Straße, der Erwerb von Computersystemen für Panzer, der Verkauf von Computersystemen für chinesische U-Boote, eine Forderung nach dem Bau einer Straße in den besetzten Gebieten, Opposition gegen den Bau einer Straße in den besetzten Gebieten, Arbeitsunterbrechungen beim Trennzaun, Aufdeckung von Misshandlungen im Offizierslehrgang – es gab keine Entscheidung, die das Ministerium traf, und kein Ereignis, das irgendwo geschah, zu denen sich nicht irgendein Ausschussangehöriger fand, der ihn angriff, wütend auf ihn war, ihn kübelweise mit Hohn und Verachtung übergoss, und der Minister war gezwungen, Erklärungen abzugeben, sich zu rechtfertigen und zu verteidigen.
    »Was besprechen wir?« Er nahm sich zwei Begele aus der Schale auf dem Tisch vor ihm, er aß sie immer paarweise.
    »Genehmigung des Baus der Straße 991.« Giora erhob sich und erläuterte die Situation auf der Landkarte. Avram klopfte nervös mit einer Zigarettenschachtel auf den Tisch. Die Diskussion wurde träge geführt. Giora erklärte die strategische Bedeutung der Straße. Malka gab einen Überblick über den politischen Druck für und gegen die Straße. Der Minister kannte Malkas Ansichten gut und wusste daher, wie er mit seinem »Überblick« und seinen scheinbar objektiven Aussagen umzugehen hatte. Er hatte sogar eine mathematische Berechnungsmethode entwickelt, um zu verstehen, was in Wahrheit hinter der Position des Assistenten steckte, indem er eine Durchschnittsmenge zwischen dem, was Malka sagte, der Meinung des Ministerialamtsleiters und der Entscheidung der Etatabteilung im Finanzministerium bestimmte. In der Frage der Straße jedoch herrschte ausnahmsweise Einstimmigkeit.
    Hin und wieder berichtete sein Sekretär zwischendurch von einem eingehenden Gespräch oder einem Besuch. Der Minister war hungrig, und vorher, auf dem Weg von der Ausschusssitzung zum Ministerium, war ihm ein kleines Malheur auf der Toilette passiert. Er hatte sich die Hosen nass gemacht, da sich sein Urinstrahl wegen eines Härchens, das dort hing, gespalten hatte, was ihm nicht aufgefallen war, bis er die Feuchtigkeit spürte.
    »Okay, bringen Sie mir die Papiere zum Unterschreiben«, entschied er mit gesenkten Lidern. Er wusste, dass er eine Menge Kritik für diese Straße kassieren würde. Er wusste, dass er Anrufe von Botschafter Milton White, von der Staatssekretärin, vom Oppositionsführer und von Vertretern der Linken im Ausschuss in der nächsten Woche erhalten würde, ganz zu schweigen vom Sender der Militärwelle, der UN und den

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