Auf fremdem Land - Roman
Shrimps-Sandwichoni kaute und Cava an der aufgemotzten Bar in Downtown trank, fanden sich die beiden, like a house on fire , wie der Amerikaner so schön sagt. Roni bemerkte schnell, dass Pilpeli weniger konform und gebunden war, wilder und energischer als Leute wie Idan Levinhof, und Pilpeli war von Roni begeistert, da er, wie er behauptete, bei jedem Besuch im Heiligen Lande in die Bar Barabush rannte. Eine Woche später lief der formale Prozess an, per Mail ein Gesuch einzureichen, und danach kamen die persönlichen Gespräche, auf die sich Roni intensiv vorbereitet hatte und die er erfolgreich absolvierte. Kurze Zeit darauf erhielt Roni die Einladung zu einem Sommerpraktikum bei der Investmentbank.
Das Alter
Miki kam an einem kühlen, strahlenden Tag auf die Welt, stieß einen kurzen Entsetzensschrei aus und verstummte. Während die Krankenschwester seiner Mutter dabei half, sich in der Dusche nebenan zu säubern, hielt Gabi ihn auf den Knien, ein Lakenbündel, betrachtete sein winziges, feuchtes Kinn und sagte: »Du bist zwölf Minuten alt.« Und kurz danach: »Du bist neunzehn Minuten alt«, und dann: »Dreiundzwanzig Minuten alt.« Das waren die ersten Dinge, die er seinem Sohn erzählte, denn er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
Gabi war derjenige, der sich um Miki kümmerte. Er fand sich sehr schnell damit zurecht. Er fuhr fort, seinem Sohn zu erzählen, wie alt er war, es wurde ihm zur Gewohnheit. Er pflegte zu sagen: »Miki, heute bist du drei Monate und zwei Tage alt, und wir gehen jetzt im Park spazieren.«
Anna nahm einen kurzen Mutterschaftsurlaub, und anfangs, als sie wieder an die Universität zurückkehrte, kürzte sie ihre Tage ab, vor allem solange sie noch stillte, doch langsam und allmählich begann sie wieder, lange Stunden auf dem Campus zu verbringen, wie vor der Geburt. Gabi und Miki fuhren fort, die Tage zu zählen, lernten, die Hände zu bewegen und zu lächeln, sich umzudrehen und zu kriechen, Zähne zu kriegen und zu schaukeln, gingen im Park spazieren und hörten sich Bemerkungen über das ungarische, schwedische oder finnische Kind an, die Gabi am Anfang ein bisschen ärgerten, mit der Zeit jedoch stolz machten – als spiegelten die Komplimente über die Schönheit und Besonderheit des Babys seine eigene Schönheit und Besonderheit wider; als gälte die Aufmerksamkeit ihm, und die Scherze (»Privatimport?«, »Wo kauft man so was?«, »Diplomateneltern?«) wären dazu bestimmt, ihn zu beeindrucken und zu erheitern, und nicht diejenigen, die sie von sich gaben. Auf dem Weg zum Mittagsschlaf kauften sie im Lebensmittelladen und beim Gemüsehändler ein, und während Miki seine zwei Stunden schlummerte, bereitete Gabi ein Abendessen zu wie in den schönen Tagen vor dem Studium.
Er hatte keine freie Zeit, machte sich aber viele Gedanken. Hatte er Sehnsucht nach einem Studienabschluss in Kriminologie? Ein bisschen, aber sicher keine brennende. Er plante, Lehrstoff aus dem ersten Jahr, den er nicht geschafft hatte, zu lesen, doch der Papierstapel rührte sich während des ganzen ersten Lebensjahrs seines Sohns nicht vom Regal neben dem Bett. Was er hingegen las, war eines Tages, als er beim Kinderarzt wartete und in einer Zeitschrift blätterte, ein Bericht über Steve Jobs, den Apple-Chef, der erzählte, dass er auf die Universität gegangen war, weil man es von ihm erwartete, und nach einem Jahr beschlossen hatte, sie zu verlassen, da er nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen wollte, und nicht begriff, wie ihm das Studium helfen sollte, die Antwort zu finden. Im Nachhinein, so sagte Jobs in dem Artikel, war das die klügste Entscheidung, die er je im Leben getroffen hatte. Gabi gefiel dieser Bericht ausnehmend gut – Jobs war sogar bei Adoptiveltern aufgewachsen.
Anna kehrte immer spät zurück – manchmal nach dem Abendessen und nach Mikis Bad, und manchmal nachdem er eingeschlafen war. Das erschien Gabi ein wenig merkwürdig, doch als er es anzusprechen versuchte, behauptete Anna, das sei chauvinistisches Denken, denn wenn die Väter hart arbeiteten und erst spät zurückkehrten und ihre Kinder kaum sahen, sagte kein Mensch irgendwas, doch wenn eine Frau das machte, dann war was nicht in Ordnung mit ihr.
»Ich hab nicht gesagt, dass mit dir irgendwas nicht in Ordnung ist«, verteidigte sich Gabi. »Auch ein Vater, der seine Kinder nicht sieht, ist in meinen Augen komisch.«
Aber sie war böse. Er verstand, dass sie sich schwertat mit den Anforderungen und der
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