Auf fremdem Land - Roman
geriet zum Fall, was in einem Schrei, kurzem Weinen und einem glucksenden Kriechen endete, bis sein Vater ihn aufhob, ihn auf seinen Schoß setzte und alle lauthals zu singen anfingen, »Heut ist Mikis Geburtstag, zur Freude der Kinder« bis hin zu »Alles Gute zum Geburtstag« nach der englischen Melodie. Dann durfte der Junge zum ersten Mal in seinem Leben einen Schokoladenkuchen probieren, der ihm zweifellos hervorragend schmeckte.
Sie befanden sich in Annas Kibbuz bei ihrer Großmutter (der englische Großvater hatte ein Glückwunschtelegramm geschickt, er hatte seinen Enkel noch nicht gesehen). Adoptivgroßvater Jossi, der jetzt eine Freundin hatte, war aus seinem Kibbuz gekommen, und auch Onkel Jaron, der Bruder von Ascher, dem lang verstorbenen Großvater Mikis, war sehr angetan von den Kunststückchen des kleinen Blondkopfs. Onkel Roni war nicht gekommen.
Woher Miki seine blonden Haare hatte, wusste man nicht zu sagen. Die Großmutter dachte, es sei von dem englischen Freiwilligen, sie war sicher, dass er ihr einmal erzählt hatte, dass er nordische Wurzeln habe, auch wenn er selbst nur einfach rotbackig und braunhaarig war – die ganze Gegend im Nordosten Englands sei früher einmal der Sitz von Norwegern und Schweden gewesen, die mit ihren Wikingerschiffen nach Westen gesegelt waren, bis sie auf Land stießen. Daher höre sich der nordöstliche englische Dialekt, der am schwierigsten überhaupt zu verstehen sei, außer bestimmten Varianten vielleicht im benachbarten Schottland, in Ton und Rhythmus ähnlich wie die nordischen Sprachen an. »Es gibt Forschungen darüber, schaut ruhig nach«, erklärte die Großmutter, und Gabi sagte sich, er würde im Internet nachschauen. Das Blond jedenfalls blieb, und nur Mikis Augen waren ohne Zweifel die braunen Mandelaugen seines Vaters.
Nachdem die ungewohnten Zuckermengen bei dem Geburtstagskind die Energien eines Batteriehasen ausgelöst hatten, fiel er anschließend auf der Hängematte im Hof in Tiefschlaf, den Mund mit braunen Krümeln und Speichel verschmiert. Die Erwachsenen gönnten sich zum Nachtisch einen Kaffee und Erwachsenengespräche. Nachbarn und Freunde aus der Kindheit kamen, um Anna zu begrüßen und ihren Sohn und die Geschichten vom Businessstudium zu bewundern. Gabi saß hauptsächlich mit Jossi und seiner neuen Freundin und Onkel Jaron zusammen. Er dachte an die Möglichkeit, kurz in seinem Kibbuz vorbeizuschauen, doch er fand keinen Grund. Allerdings freute er sich, als Onkel Jaron sie zu einer Wochenendübernachtung am Rande der Golanhöhen einlud.
Miki war glücklich in Onkel Jarons Kibbuz, und wenn ein Einjähriger glücklich ist, Laute ausstößt, hierhin und dorthin kriecht, mit aufgeregtem Wackeln versucht, einen Schritt nach dem anderen zu setzen, können seine Eltern nicht umhin zu lächeln. Anna stimmte zu, dass der Platz betörend schön sei, dass der kühle Wind und die Basaltlandschaft das angenehme Gefühl vermittelten, in einem anderen Land zu sein. Sie planten, in den Mittagsstunden zurückzukehren, um den Staus am Samstagabend zuvorzukommen, doch Miki gefiel es so gut, und sie fühlten sich so entspannt, dass sie alle drei nach dem Mittagessen auf dem großen Bett im Gästezimmer einschliefen, und als sie aufwachten, beschlossen sie, die Stunden des Tageslichts auszunutzen und erst bei Einbruch der Dunkelheit zu fahren. Das Geburtstagskind würde auf der Fahrt nach Süden schlafen, satt, gewaschen und erledigt nach zwei Tagen voller Aktivitäten und Aufregungen.
Als sich Onkel Jaron auf der Straße draußen von ihnen verabschiedete, waren seine dunklen Brillengläser von Tränen benetzt. »Fast dreißig Jahre«, schluchzte er, »aber ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Du warst genau dort.« Er deutete auf den Kindersitz, in dem der kleine blonde Junge schlummerte. »Es gab keine Kindersitze, aber du hast auch geschlafen, erschöpft von dem ganzen Herumtoben im Kibbuz. Du warst genau ein Jahr alt. Und neben dir dein Bruder, der Bandit, todmüde, aber gegen den Schlaf hat er verbissen angekämpft, um zu zeigen, dass er ein großer Junge ist. Und vorne Vater und Mutter …« Gabi legte eine Hand auf Onkel Jarons Schulter. Und danach umarmte ihn Anna und sagte ihm, wie sehr es ihr gefallen habe, wie sehr sich alle erholt hätten, und er umarmte sie auch und weinte weiter.
»Fahrt vorsichtig, ganz langsam«, bat Onkel Jaron, als sie im Auto saßen.
Und Gabi antwortete: »Aber sicher. Wir werden uns vor
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